Manche geschiedene Ehefrau dürfte sich nach der Entscheidung des BVerfG zu früh gefreut haben; denn ein (wegen Nichtberücksichtigung neuer Kinder und neuer Ehefrau) höherer Bedarf bedeutet nicht ohne Weiteres, dass "unter dem Strich" auch mehr herauskäme.
a) Anspruchsberechnung
Die ersten nach der Entscheidung des BVerfG vorgelegten Berechnungen zeigen auf, dass auch bei Anwendung der neuen Kriterien deutlich andere Ergebnisse als nach der früheren Drittelmethode nur bei Vorrang der geschiedenen Ehefrau herauskommen. Sofern noch Kindesunterhalt (für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder) zu berücksichtigen ist (entweder schon beim Bedarf oder jedenfalls im Rahmen der Leistungsfähigkeit), wird das zu verteilende Einkommen dadurch weiter reduziert.
Das hat Auswirkungen auf die Frage der Wesentlichkeit einer Änderung, von der die – in einem separaten Beitrag zu behandelnde – Frage abhängt, ob und inwieweit ein Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG in Betracht kommt.
b) Angemessenheitsprüfung
Eine solche Prüfung erscheint erforderlich, damit es nicht dazu kommt, dass die geschiedene Ehefrau im Ergebnis über mehr Mittel verfügt als der Schuldner. Die Entscheidung des BVerfG schließt eine Modifikation des Halbteilungsgrundsatzes nicht aus. Sachgerecht ist diese Prüfung i.Ü. auch zum Ausgleich der rechnerischen Folgen, die sich aus den verschiedenen Rangstufen der Ehefrauen und ihren unterschiedlich hohen eheangemessenen Selbstbehalten ergeben.
c) Billigkeitsprüfung (§ 1578b BGB)
Das BVerfG hat festgehalten, dass der Bedarf nicht schon im ersten Schritt (§ 1578 BGB) durch eine Berücksichtigung von nachehelichen Entwicklungen reduziert und dann im zweiten Schritt (im Rahmen von § 1578b BGB) nochmals gekürzt werden darf (Rn 66). Das lässt sowohl das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander als auch die Frage offen, ob und inwieweit nach Scheidung entstandene Unterhaltspflichten im Rahmen von § 1578b BGB zu berücksichtigen sind.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH besteht der Eindruck, dass § 1578b BGB zwar als Ausnahmevorschrift bezeichnet, nicht aber als solche behandelt wird:
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Zwar gibt § 1578 BGB einen – ungekürzten – Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, ohne dass dafür tatbestandlich ein ehebedingter Nachteil vorliegen müsste; |
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dieser Nachteil wird aber bei § 1578b BGB vorausgesetzt, weil ansonsten eine zeitliche Begrenzung und/oder eine Herabsetzung des Anspruchs die Folge sind. |
Wenn man sich ansieht, wie schwer es geworden ist, überhaupt noch Aufstockungsunterhalt zu bekommen, ist die Aussage nicht verwunderlich, der Aufstockungsunterhalt gleiche mehr einem Schadensersatzanspruch.
Wenn sich die Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf an den ehelichen Lebensverhältnissen orientiert und diese – so das BVerfG – ohne Berücksichtigung neu hinzutretender Unterhaltspflichten zu bestimmen sind, dann können diese Pflichten konsequenterweise auch im Rahmen der Ausnahmevorschrift des § 1578b BGB keine Rolle spielen, sondern erst bei der Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) Bedeutung erlangen. Insgesamt dürfte die Vorschrift des § 1578b BGB in Zukunft eine noch größere Bedeutung bekommen.