a) Surrogat-Rechtsprechung
Durch eine vom BVerfG bestätigte Grundsatzentscheidung hat der BGH klargestellt, dass in den Fällen, in denen der in der Ehe haushaltsführende Ehegatte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder erweitert, das daraus erzielte (oder erzielbare) Einkommen die ehelichen Lebensverhältnisse ebenfalls prägt, weil dieses Einkommen als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes der früheren Haushalts- und Erziehungstätigkeit anzusehen ist. Dogmatisch ist diese Änderung der Rechtsprechung sicherlich schon deshalb zweifelhaft, weil im Ergebnis eine Hausfrauen-Ehe nachträglich zur Doppelverdiener-Ehe gemacht wird. Zu rechtfertigen ist es wohl nur dann, wenn man – unter Anwendung des Latenz-Prinzips – im Ergebnis jede Hausfrauen-Ehe als eine nur vorübergehend unterbrochene Doppelverdiener-Ehe ansieht. Schließlich liegt eine Schwäche der Surrogat-Rechtsprechung auch darin, dass sie – mit dem (erreichten) Ziel des Methodenwechsels von der Anrechnungs- zur Differenzmethode – im Wesentlichen vom Ergebnis her argumentiert; deshalb wird konsequenterweise auch keine Bewertung der früheren Hausfrauen-Tätigkeit in Geld vorgenommen.
Als Ergebnis ist jedenfalls festzuhalten, dass die Surrogat-Rechtsprechung die Haushaltsführung (mit und ohne Kindesbetreuung) des früher nicht erwerbstätigen Ehegatten der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten gleichstellt, weil beide Tätigkeiten den sozialen Standard der Ehe erhöhen und die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern. Die frühere Arbeit in der Familie ist immer dann bedarfsprägend, wenn als Surrogat an ihre Stelle später eine Erwerbstätigkeit tritt, ohne dass es insoweit auf einen entsprechenden früheren Lebensplan ankäme.
Der BGH hat diese Rechtsprechung später noch auf andere Fallgestaltungen ausgeweitet, z.B. auf Renteneinkünfte, auch aus dem Versorgungsausgleich, auf Zugewinnausgleichseinkünfte sowie auf Einkommen wegen der Versorgung eines neuen Partners.
b) Weitere Veränderungen
Als Auswirkung der Surrogat-Rechtsprechung war eine Ausweitung der Unterhaltspflicht des Schuldners festzustellen, weil der Wegfall der Anrechnungsmethode naturgemäß zu einer verlängerten und im Ergebnis erhöhten Unterhaltspflicht führte. Wohl auch als Reaktion hierauf hat der BGH seine Rechtsprechung zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" entwickelt, indem er das Stichtagsprinzip vollständig aufgegeben und damit die frühere Lebensstandardgarantie im Ergebnis in Wegfall gebracht hat. Auch erst nach Rechtskraft der Scheidung eintretende Veränderungen des Einkommens des Schuldners sind danach
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grundsätzlich zu berücksichtigen (egal, ob als Verringerung oder Verbesserung und wann und bei wem eingetreten); |
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im Falle einer Steigerung allerdings – wie nach früherer Rechtsprechung – nur dann, wenn sie schon in der Ehe "angelegt" waren, also nicht bei Unvorhersehbarkeit (z.B. bei "Karrieresprung"); |
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im Falle einer Verringerung ausnahmsweise nicht, wenn unterhaltsrechtlich leichtfertiges Verhalten des Schuldners vorliegt; dieses fehlt, wenn Unterhaltspflichten für Kinder oder für einen neuen Ehegatten entstehen. |