Die Auswirkungen dieser Rechtsprechung lassen sich im Wesentlichen in den verschiedenen Fallgruppen wie folgt zusammenfassen:
a) Einkommenserhöhung beim Schuldner
Hier sind mehrere Formen denkbar.
aa) Karrieresprung
Da eine Einkommenserhöhung beim Schuldner auch nach der geänderten Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zu berücksichtigen ist jedenfalls dann, wenn die Erhöhung in den ehelichen Lebensverhältnissen "angelegt" war, ist die frühere Rechtsprechung zum "Karrieresprung" einschlägig. Somit kommt eine Bedarfserhöhung nur dann in Betracht, wenn die nach Scheidung eintretende Einkommensverbesserung
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zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war |
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und diese Erwartung bei den Eheleuten dazu geführt hat, dass diese sich auf die zukünftige Verbesserung zu diesem Zeitpunkt schon eingestellt haben oder dies jedenfalls hätten tun können. |
Umgekehrt scheidet somit eine Berücksichtigung sämtlicher Verbesserungen aus, mit denen bei Rechtskraft der Scheidung nicht zu rechnen war und die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben.
Nach der "Kompensationsentscheidung" des BGH sind – ausnahmsweise – nichtprägende nacheheliche Einkommensverbesserungen zu berücksichtigen, soweit sie neu hinzugetretene Unterhaltsverpflichtungen auffangen.
bb) Wegfall von Schulden und Belastungen
Nach früherer Rechtsprechung wurden bei Scheidung bestehende Schulden grundsätzlich als bedarfsprägend angesehen. Bei späterem Wegfall kam es auf den zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung an; sofern von einer Tilgung in absehbarer Zeit auszugehen war, wurde angenommen, dass das (nach Wegfall der Verbindlichkeit nunmehr) höhere Einkommen wieder voll für den Unterhalt zur Verfügung stand. Der Wegfall von Unterhaltspflichten für gemeinsame Kinder wurde – ohne zeitliche Komponente – regelmäßig als in der Ehe "angelegt" behandelt mit der Folge einer entsprechenden Bedarfserhöhung.
Seit der Entscheidung des BGH vom 6.2.2008 war es dagegen unerheblich, ob die spätere Einkommenssteigerung beim Schuldner auf einer Einkommenserhöhung oder auf einem (absehbaren) Wegfall von Zahlungsverpflichtungen beruhte. Dies hing mit der Aufgabe des Stichtagsprinzips und der sich daraus ergebenden Konsequenz zusammen, Einkommensverbesserungen unabhängig von ihrem zeitlichen Eintritt zu berücksichtigen.
b) Einkommenserhöhung beim Gläubiger
Als Folge der Surrogat-Rechtsprechung tritt eine Bedarfserhöhung bei der – früher nicht berufstätig gewesenen – Ehefrau ein in Form der später erzielten Erwerbseinkünfte, weil die entsprechende Berufstätigkeit als Surrogat für die frühere Tätigkeit im Haushalt angesehen wird. Im Vergleich zu ehelichen Lebensverhältnissen, die allein durch den Verdienst des Ehemannes geprägt wurden, liegt zwangsläufig eine Bedarfserhöhung vor mit der Folge, dass der – entsprechend erhöhte – Bedarf erst dann gedeckt ist, wenn die unterhaltsberechtigte Ehefrau mindestens die gleichen Einkünfte erzielt wie der Unterhaltsschuldner. Die dadurch eintretende Besserstellung der Ehefrau wurde zum Teil als Grund dafür angesehen, verstärkt von den Vorschriften für Befristung und Begrenzung (§§ 1573 Abs. 5, 1578 BGB a.F. = § 1578b BGB n.F.) Gebrauch zu machen.
c) Einkommensverringerung beim Schuldner
aa) Reduzierte Einkünfte
Auch nach der geänderten Rechtsprechung des BGH ist es unproblematisch, wenn sich die Einkünfte des Schuldners aufgrund von Arbeitsplatzverlust oder Berentung reduzieren; in beiden Fällen hätte der andere Ehegatte diese nachteilige Veränderung auch bei Fortsetzung der Ehe mittragen müssen. Durch die Scheidung kann er nicht besser gestellt werden, als er bei Fortsetzung der Ehe gestanden hätte.
Entgegen diesem Grundsatz hat der BGH dagegen auch Einkommensverringerungen in Gestalt von Unterhaltspflichten für eine neue Ehefrau oder aus neuer Ehe hervorgegangene Kinder (zu Einzelheiten s.u. unter e) berücksichtigt. Diese Belastungen wären bei Fortsetzung der Ehe gerade nicht eingetreten.
bb) Vertragliche Verbindlichkeiten
Der Ansatz des BGH, wonach alle Veränderungen der maßgeblichen Verhältnisse bei der Bedarfsbemessung zu berücksichtigen sind, die Einfluss auf das verfügbare Einkommen des Schuldners haben (Ausnahme: unterhaltsbezogenes mutwilliges Fehlverhalten), macht deutlich, dass auch vertragliche Verbindlichkeiten miteingeschlossen sind. Dies erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil kein Ehebezug ersichtlich ist, bspw. im Fall einer Kreditaufnahme im Zusammenhang mit der Wohnungseinrichtung für die neue ...