Die Entwicklung lässt sich schlagwortartig mit dem Satz "vom Stichtagsprinzip zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" zusammenfassen. Im Wesentlichen ist dazu Folgendes festzuhalten:
1. Ausgangspunkt: Gesetz
Das Maß des nachehelichen Unterhalts bestimmt sich gem. § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Trennungsunterhalt richtet sich nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Eheleute, § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB. Beide Bestimmungen stellen eine inhaltsgleiche Regelung der "ehelichen Lebensverhältnisse" dar mit der Folge, dass diese zentraler Maßstab für die Höhe jedes Anspruchs auf Ehegattenunterhalt sind und die Höhe des Bedarfs immer nach dem gleichen Maßstäben bemessen werden kann.
Mit der Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse verband der Gesetzgeber den Zweck, einen sozialen Abstieg des bedürftigen Ehegatten zu vermeiden vor dem Hintergrund, dass das erreichte eheliche Lebensniveau regelmäßig als Ergebnis der Leistungen beider Ehegatten anzusehen ist. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB wurde als Ausprägung der Lebensstandardgarantie angesehen; andererseits wurde daraus gefolgert, dass der bedürftige Ehegatte jedenfalls nach der Scheidung nicht mehr am wirtschaftlichen Aufschwung des geschiedenen Partners teilnehmen sollte.
2. Grundsätze der früheren Rechtsprechung
Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wurde durch den Bedarf nach oben begrenzt, und die Rechtskraft der Scheidung wurde (jedenfalls grundsätzlich) als der entscheidende Stichtag für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse angesehen. Grundsätzlich sollten spätere Änderungen der Verhältnisse ohne Auswirkung bleiben, außer in den Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Scheidung eine spätere Veränderung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und bei denen diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung schon mitgeprägt hatte. Als Begründung wurde auf den Aspekt der nachehelichen Solidarität hingewiesen; der bedürftige Ehegatte sollte auch an späteren Einkommensverbesserungen teilhaben, deren Grund in der Ehe gelegt worden war und die sich im Zeitpunkt der Scheidung schon abgezeichnet hatten. Ausreichend für die Prägung war es, dass die Ehegatten ihren Lebenszuschnitt im Hinblick auf die bevorstehende Entwicklung gestalten konnten. Bei einem späteren Wegfall von Unterhaltspflichten wurde ein enger zeitlicher Zusammenhang als wichtiges Indiz für die Beurteilung der Frage angesehen, ob die ehelichen Lebensverhältnisse durch die spätere (unerwartete) Änderung schon geprägt worden waren; es wurde regelmäßig als eheprägend angesehen, dass die Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind später wegfiel.
Den "Keim" für eine spätere Änderung seiner Rechtsprechung legte der BGH aber schon vor Jahren durch seine Aussage, dass der Bedarf nicht als statische, sondern als dynamische Größe anzusehen sei. Hieraus ergaben sich schon damals Unklarheiten, die später von den Befürwortern der geänderten BGH-Rechtsprechung als Argument für die Änderung angeführt wurden: Zum Beispiel wurde einerseits eine übliche Beförderung des Schuldners als "angelegt" und deshalb als bedarfsprägend berücksichtigt, andererseits wurde dies abgelehnt in Fällen, in denen die Ehefrau nach Älterwerden der Kinder eine Berufstätigkeit aufnahm mit der Folge der für sie (lebenslang) ungünstigen Anrechnungsmethode. Als weitere Inkonsequenz wurde angesehen, dass einerseits – im Ergebnis vermutlich zu Recht – eine Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die Pflegebedürftigkeit der Eltern im Alter abgelehnt wurde mit der Begründung, weder Pflegebedürftigkeit noch entsprechende Kosten seien im Regelfall vorhersehbar, andererseits eine Prägung durch eine (nach Trennung, aber vor Scheidung anfallende) Erbschaft bejaht wurde.