Die "Surrogat-Rechtsprechung", die auch ein nach Trennung bzw. Ehescheidung erstmals erzieltes Einkommen als Surrogat an die Stelle der früheren Hausarbeit setzt und damit die nachteiligen Folgen der Anrechnung dieses Einkommens auf einen zu gering bemessenen Bedarf vermeidet (BGH, Urt. v. 13.6.2001 – XII ZR 343/99, FamRZ 2001, 986), hat die Bindung an die tatsächlichen Lebensverhältnisse weitgehend gelöst. Seitdem gilt nicht nur ein erstmals nach der Scheidung erzielter Arbeitslohn, sondern nahezu jeder Verdienst als eine bereits in den ehelichen Lebensverhältnissen angelegte Entwicklung. Der Bedarf wird nunmehr regelmäßig nach der Differenz der beiderseitigen Einkommen bemessen – und zwar unabhängig davon, wann dieses Einkommen erstmals erzielt worden ist. In einem weiteren Schritt hat der BGH im Jahr 2006 die endgültige Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung eingeleitet, nach der für den Bedarf die den ehelichen Lebensstandard bestimmenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse maßgebend waren. Im Urt. v. 15.3.2006 (XII ZR 30/04, FamRZ 2006, 683) hat er ausgeführt, dass sich eine Einschränkung des aus der Ehe folgenden Unterhaltsbedarfs bereits aus dem Halbteilungsprinzip ergebe. Dies gelte auch, wenn weitere Unterhaltspflichten gegenüber vor- oder gleichrangig Berechtigten hinzutreten. Nach dem "Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe" lasse sich so bereits bei der Bedarfsbemessung (§ 1578 Abs. 1 BGB) eine übermäßige Belastung des Unterhaltspflichtigen vermeiden. Einer gesonderten Prüfung im Rahmen der Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) bedürfe es daher nicht mehr. Im Urt. v. 6.2.2008 (XII ZR 14/06, FamRZ 2008, 963) bestätigt der BGH die Loslösung von dem bisherigen Stichtagsprinzip. Im Leitsatz heißt es unter Bezug auf § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB, dass
Zitat
"spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen [sind], und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt oder ob die Veränderung aufseiten des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist."
Dem Recht des nachehelichen Unterhalts könne keine Lebensstandardgarantie entnommen werden. Die Anknüpfung an den Stichtag der rechtskräftigen Scheidung sei damit überholt.
Nachdem der BGH zunächst für die Bemessung des Bedarfs noch auf Unterhaltspflichten gegenüber vor- und gleichrangig Berechtigten abstellte, hat er nachfolgend auch jede aus dem Rang der Berechtigten folgende Einschränkung aufgegeben. Gemäß Urt. v. 30.7.2008 (XII ZR 177/06, FamRZ 2008, 1911) bemisst sich der Bedarf bei konkurrierenden Ansprüchen auf Ehegattenunterhalt unabhängig vom Rang stets als gleicher Anteil an der Summe aller Einkommen (Dreiteilung). Eine Korrektur ist nur vorzunehmen, wenn sich hieraus für den geschiedenen Ehegatten ein höherer Bedarf ergibt als ohne erneute Eheschließung bzw. wenn sich im Mangelfall der Vorrang eines Ehegatten durchsetzt.