Begehrt ein Mandant Rechtsschutz gegen eine Person, deren Aufenthalt allgemein unbekannt ist, bereitet dies dem beauftragten Anwalt schon bei Zustellung einer Antragsschrift häufig massiven Ärger. Die öffentliche Zustellung nach § 185 ZPO ist dann oft das letzte Mittel, Ansprüche gegen den Adressaten durchzusetzen. Zugleich ist sie aber auch eine gefährliche Art der Zustellung. Denn ihre Bewilligung kann, wenn die erforderlichen Voraussetzungen fehlen, zwar unwirksam sein, aber eigenständig anfechtbar ist sie nicht. Wenn sie fehlerhaft und daher unwirksam ist, kann sie zwar erneut beantragt werden – wodurch die Rechtsschutzgewährung sich indes zwangsläufig verlängert.
Eine wirksame Zustellung an die Gegenseite ist für den, der Rechtsschutz begehrt, Voraussetzung dafür, dass er seine Rechtsposition durchsetzen kann und so seinem Justizgewährungsanspruch entsprochen wird. Bei dem Adressaten hingegen soll die Zustellung gewährleisten, dass er von der Zustellung Kenntnis erhält und ihm so rechtliches Gehör gewährt wird. Im Spannungsfeld dieser verfassungsrechtlich unterlegten Zielsetzungen ist es geboten, bei sorgfältiger Abwägung aller insoweit relevanten Umstände eine gerechte und angemessene Lösung zu finden. Wie Rechtsprechung und Literatur immer wieder betont haben und auch das OLG Hamm in der hier veröffentlichten Entscheidung hervorhebt, sind grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen, wenn im Rahmen des § 185 Nr. 1 ZPO der unbekannte Aufenthalt des Zustellungsadressaten festzustellen ist.
Im Einzelnen sind allerdings deutliche Unterschiede festzustellen – z.B. je nach Art des Verfahrens, in dem zugestellt werden soll. In einem Scheidungsverfahren, in dem es auch im hiesigen Beschluss des OLG Hamm geht und der Antrag besonders weitreichende Folgen hat, sind die Anforderungen besonders hoch, und sie sind weniger hoch, wenn es beispielsweise um einen Pfändungsbeschluss geht. Unterschiedlich wird auch beurteilt, in welchem Umfang die Verfahrensbeteiligten Nachforschungen zum Aufenthalt des Zustellungsadressaten anzustellen und darzulegen haben und in welchem Ausmaß das Gericht zusätzlich und eigenständig zu ermitteln hat, insbesondere wenn von Amts wegen zuzustellen ist.
Sind die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO nicht erfüllt, ist die Zustellung unwirksam. Sie löst dann nicht die Zustellungsfunktion des § 188 ZPO aus und setzt damit keine Frist in Lauf. Wird die Fehlerhaftigkeit entdeckt, ist das Verfahren folglich ohne Wiedereinsetzung fortzusetzen. Umstritten ist lediglich, ob die Fehlerhaftigkeit der öffentlichen Zustellung darüber hinaus erkennbar gewesen sein muss, um die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung zu bejahen. Auch der BGH hat diese Frage bislang nicht abschließend entschieden. Auch das OLG Hamm hat in dem hier besprochenen Beschluss diese Frage nicht beantwortet und nicht beantworten müssen.
Die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung ist für Praktiker in mehrfacher Hinsicht sehr bedeutsam – z.B., wie schon erörtert, für den Lauf einer Frist, aber ebenso für die Anerkennung einer Entscheidung bei internationalen Sachverhalten. Wer eine öffentliche Zustellung beantragt, ist daher gut beraten, wenn er die Voraussetzungen hierfür sorgfältig ermittelt und darlegt, so dass sie den jeweils höchsten Anforderungen entsprechen, die in Rechtsprechung und Literatur gestellt werden.
Dr. Hans van Els, Richter am AG a.D., Solingen