1. Schabowski-Moment der Kanzlerin und Ehe für alle im Eiltempo!
Die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sollte zum 1.8.2001 die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare beenden. Bereits mit dem Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts (LPartÜG), das am 1.1.2005 in Kraft getreten ist, erfolgte eine grundlegende Umgestaltung des bisher geltenden Rechts. Es handelte sich dabei um den Versuch einer zivilrechtlichen (Fast-)Angleichung an die Ehe. Sie wurde durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner vom 20.11.2015 in 32 Gesetzen umgesetzt. In zahlreichen Vorschriften wurde nur der eingetragene Lebenspartner "gleichberechtigt" neben den Ehegatten gestellt. Im Mietrecht führt dies zu einem vorrangigen Eintrittsrecht in den Mietvertrag des verstorbenen Partners gegenüber anderen Eintrittsberechtigten (§ 563 Abs. 1 BGB). Zuwendungen an ein Kind fallen nicht nur bei einer Eheschließung, sondern auch bei einer Begründung einer Lebenspartnerschaft unter den Begriff der Ausstattung (§ 1624 Abs. 1 BGB) und sind deshalb in dem den Vermögensverhältnissen von Vater oder Mutter entsprechenden Umfang dem Schenkungsrecht entzogen. Schließlich kann die einstweilige Einstellung einer Teilungsversteigerung einer Immobilie angeordnet werden, wenn dies zur Abwendung einer ernsthaften Gefährdung des Wohls eines gemeinschaftlichen Kindes erforderlich ist (§ 180 Abs. 3 S. 1 ZVG). Ausgenommen von der "Bereinigung" wurde der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 GG; der Ehe wurde die eingetragene Lebenspartnerschaft nur faktisch gleichgestellt.
Von da an ging es allerdings nur noch um die volle Gleichstellung, nämlich die Eheschließung zwischen Personen gleichen Geschlechts. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte mit einer einstweiligen Verfügung erreichen, dass sich der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages noch in der 18. Legislaturperiode mit den entsprechenden Gesetzesentwürfen befasst. Dies scheiterte beim Bundesverfassungsgericht. Aber nachdem 12 Tage später, kurz vor der Bundestagswahl, die Kanzlerin bei einer Veranstaltung in einem Interview erklärte, die Frage der Eheschließung zwischen Personen gleichen Geschlechts sei eine reine "Gewissensfrage", wurde der bereits eingebrachte Gesetzesentwurf in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 30.6.2017 in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen. Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 ist am 1.10.2017 in Kraft getreten. Seit diesem Zeitpunkt können Lebenspartnerschaften nicht mehr begründet werden. Damit werden das LPartG und alle (so mühsam) in sämtliche Gesetze eingefügten Erwähnungen der Lebenspartnerschaft und der Lebenspartner zum Auslaufmodell, sie werden nach einer Generation nur noch rechtshistorische Bedeutung haben.
2. Von Zufälligkeiten und einer nachgeholten Diskussion
Der Begriff der gleichgeschlechtlichen Ehe wurde im BGB nur in § 1309 Abs. 3 BGB a.F., der das Ehefähigkeitszeugnis betraf, verwendet. Im Übrigen beschränkt sich die Ehe für alle auf die unsystematische Einführung von sechs Worten in die Bestimmung über die Ehe auf Lebenszeit, die "von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts" geschlossen wird (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB). Die nunmehrige Diskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe wird gleichsam nachgeholt. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte sich kaum der Macht des Faktischen entziehen können.
In der Diskussion werden das 5:4-Urteil des Supreme Court der USA vom 26.6.2015 und die Begründung durch den Richter Anthony Kennedy sowie die Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs zur Zulassung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare häufig zitiert. Die Beziehung eines gleichgeschlechtlichen Paares fällt zwar unter den Begriff des "Privat- und Familienlebens" i.S.v. Art. 8 EMRK, deshalb muss ihre Partnerschaft auch rechtlich anerkannt werden. Eine Beschränkung gleichgeschlechtlicher Paare auf eine eingetragene Lebenspartnerschaft verstößt jedoch nicht gegen die EMRK. Art. 8 EMRK verpflichtet nicht dazu, gleichgeschlechtlichen Paaren...