– Aus der Aktuellen Stunde der Herbsttagung der AG Familienrecht –
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen geringfügig redigierten Mitschnitt der "Aktuellen Stunde" zur Düsseldorfer Tabelle auf der Herbsttagung der AG Familienrecht am 1.12.2018 in Münster. Der Gesprächscharakter wurde beibehalten; von der Veröffentlichung der Wortmeldungen in der anschließenden Diskussion wurde abgesehen.
Grabow: Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen guten Morgen. Wir bewegen uns jetzt nicht mehr auf der verfassungsrechtlichen Ebene, sondern begeben uns etwas in die Niederungen unseres täglichen Lebens, vor allem unseres Arbeitslebens als Familienrechtler, und wollen uns in dieser aktuellen Stunde mit einem Hilfsmittel beschäftigen, das wahrscheinlich von uns jeden Tag benötigt wird. Das Thema lautet: Die Zukunft der Düsseldorfer Tabelle. Und dazu haben wir uns eine Expertin eingeladen, Frau Brigitte Niepmann, Direktorin des Amtsgerichtes Bonn, aber das war gar nicht mal der ausschlaggebende Grund, sondern Frau Niepmann ist Vorsitzende der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages. Als wir uns überlegt haben im Ausschuss, mit welchem Thema befassen wir uns überhaupt in der aktuellen Stunde in diesem Jahr, da geschah das in einer Zeit am Anfang des Jahres als die Diskussionen um die Düsseldorfer Tabelle 2018 doch durchaus intensiv geführt wurden, denn es gab nicht nur eine Zusammenfassung der 1. und 2. Einkommensgruppe, nunmehr bis 1.900 EUR anrechenbarem Netto-Einkommen, sondern vor allem in den höheren Gruppen gab es teilweise eine Absenkung der zu zahlenden Unterhaltsbeträge. Das hat durchaus zu Diskussionen geführt und wir haben gesagt: "Müssten wir uns nicht das mal etwas genauer anschauen und wen laden wir uns dazu ein, um darüber zu sprechen?" Dann sind wir wie gesagt auf Frau Niepmann gekommen und die hat freundlicherweise zugesagt. Herzlichen Dank, Frau Niepmann, dass Sie der Einladung gefolgt sind.
Niepmann: Gern.
Grabow: Das Thema wurde dann im Grunde genommen im Laufe des Jahres, wenn ich das so sagen darf, noch etwas befeuert, und zwar nicht unmittelbar durch das Unterhaltsrecht, sondern durch Fragen des Kindschaftsrechtes. Wir werden also, so haben wir uns das vorgenommen, im Verlauf dieser Gesprächsrunde auch die Fragen ansprechen, die aus der zunehmenden Praxis des Wechselmodells oder den anderen Betreuungsformen resultieren. Ich darf das bereits jetzt als Ankündigung in den Raum stellen. Wir wollen uns mit der Frage befassen: "Wohin führt denn das eigentlich? Können wir die Düsseldorfer Tabelle, wie wir sie bisher kannten, noch ohne weiteres so anwenden oder müssen wir auch dort über neue Wege nachdenken?" Das als Ausblick im Grunde genommen, wohin es gehen soll. Ich möchte Sie allerdings auch einladen sich an der Diskussion zu beteiligen. Wir führen nicht nur ein Zwiegespräch, sondern möchten Sie gern miteinbeziehen.
Ich möchte zunächst einmal starten mit einem kurzen Blick in die Geschichte. In Vorbereitung unseres Gespräches habe ich mal geschaut, wie lange gibt es eigentlich die Düsseldorfer Tabelle. Seit 1962, das sind 56 Jahre, damals noch vom Landgericht Düsseldorf als erstes Hilfsmittel aus der Taufe gehoben, und in einem Beitrag zum 50-jährigen Jubiläum der Düsseldorfer Tabelle 2012 schrieb Herr Otto in der FamRZ als Überschrift "Düsseldorfer Tabelle – ein brauchbares Instrument in Unterhaltssachen?".
Frau Niepmann, würden Sie das auch noch so unterschreiben?
Niepmann: Das würde ich auf jeden Fall unterschreiben und ich würde das auch mit einem Ausrufezeichen und nicht mit einem Fragezeichen versehen wollen, denn die Düsseldorfer Tabelle ist nach wie vor für die tägliche Praxis des Unterhaltsrechts ein unverzichtbares Hilfsmittel. Trotz aller Kritik und trotz aller Überlegungen in die Zukunft gerichtet, benötigt noch ein Großteil der mit Unterhaltsrecht befassten Beteiligten die Düsseldorfer Tabelle zur Orientierung, zur Rechtssicherheit. Wenn Sie in Ihre eigene Praxis schauen – ich kann es jedenfalls aus der gerichtlichen Praxis sagen: Die Anzahl der streitigen Verfahren, in denen es um Kindesunterhalt geht, ist verschwindend gering. Das ist in meinen Augen der Düsseldorfer Tabelle zu verdanken, die doch noch für eine Vielzahl von Lebenssachverhalten Orientierung und Lösungshilfe gibt.
Grabow: Aber die Düsseldorfer Tabelle hat keine Gesetzeskraft. Hindert das oder ist das eher vorteilhaft, weil sie auch von einer Vielzahl von Verbrauchern, unseren Mandanten, ohne weiteres handhabbar ist?
Niepmann: Es ist sicher richtig, dass die Düsseldorfer Tabelle keine Gesetzeskraft hat. Das ist mehrfach entschieden worden. Sie ist ein Hilfsmittel, sie ist Richterrecht, wenn man es so nennen will. Das gibt ihr in meinen Augen auch eine sehr große Flexibilität. Richtig angewendet, kann man damit viele unterschiedliche Lebenssachverhalte erfassen. Man findet auch in den heftig diskutierten und hochstreitigen Punkten eine Lösung, wenn man sie als Richtschnur für den angemessenen Unterhalt betrachtet und n...