a) Normzweck
§ 235 FamFG zielt – zusammen mit § 236 FamFG – darauf ab, Dispositionsmaxime und Beibringungsgrundsatz unter dem Aspekt der Fürsorge des Gerichts für die Beteiligten und einer erhöhten staatlichen Verantwortung für die materielle Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung zurückzudrängen.
Die Folge ist – wie früher im Rahmen von § 643 ZPO a.F. – ein Spannungsverhältnis zwischen Beibringungs- und Amtsermittlungsgrundsatz.
§ 235 Abs. 2 normiert eine gerichtliche Auskunftsbeschaffungspflicht. Zusammen mit Abs. 3 dient er der Verfahrensbeschleunigung; durch die Anwendung der Vorschriften soll das – früher meist unumgängliche, aber häufig zeitintensive – Stufenverfahren nach § 254 ZPO abgelöst werden.
Wichtig erscheint der Hinweis des Gesetzgebers darauf, dass das zeitaufwändige Stufenantragsverfahren auch deshalb möglichst weitgehend entfallen soll, weil Unterhaltssachen in 2-facher Hinsicht von besonderer Bedeutung sind:
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für den Berechtigten haben Unterhaltszahlungen häufig existenzielle Bedeutung; er soll nicht Gefahr laufen, wegen fehlender Kenntnisse über die Leistungsfähigkeit des Schuldners zu niedrige Beträge zu verlangen. |
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Ungenügende Unterhaltszahlungen führen zu einem erhöhten Bedarf an öffentlichen Leistungen mit der Folge, dass die Allgemeinheit zusätzlich belastet wird. |
b) Anwendungsbereich
§ 235 FamFG gilt nur für diejenigen Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 1 FamFG, die zu den Familienstreitsachen nach § 112 Nr. 1 FamFG gehören, also auch die Unterhaltsfolgesachen nach § 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. In diesen Verfahren sind – neben den besonderen Vorschriften der § 232 ff. FamFG – gemäß § 113 FamFG grundsätzlich die Vorschriften der ZPO anzuwenden, während das Verfahrensrecht des FamFG in weiten Teilen ausgeschlossen ist.
Das bedeutet, dass grundsätzlich keine Amtsermittlung stattfindet, weil § 26 FamFG durch § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Indem aber verfahrensrechtliche Auskunftspflichten der Beteiligten eingeführt werden, die an die Stelle von rein materiell-rechtlichen Auskunfts- und Belegpflichten treten, schränkt § 235 FamFG die Grundsätze des Parteiprozesses ein und schafft eine eingeschränkte Amtsermittlung.
Somit ist das gerichtliche Auskunftsrecht nach § 235 FamFG
c) Tatbestandsvoraussetzungen
Erforderlich ist zunächst, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch nach §§ 1360a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 1, 1615l Abs. 3, 1605 Abs. 1 und 2, 1580 BGB hat, des Weiteren, dass der Auskunftsschuldner – aufgrund ausdrücklicher und konkreter Aufforderung zur Auskunftserteilung innerhalb angemessener Frist – in Verzug gesetzt worden ist.
Hierdurch wird ein Anreiz beim Auskunftsberechtigten zur außergerichtlichen Anforderung der von ihm benötigten Informationen geschaffen. Die Länge der Frist hängt von der Zeit ab, in der es dem Auskunftsschuldner objektiv möglich ist, die geforderte Auskunft und die Belege zusammenzustellen. Sie wird bei einem abhängig Beschäftigten regelmäßig kürzer sein als bei einem Selbstständigen, der die Auskunft für die letzten drei Jahre zu erteilen hat.
Auch wenn VKH-Gesuch und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Inverzugsetzung grundsätzlich ausreichen, bestehen Bedenken, auch im Rahmen von § 235 Abs. 2 FamFG eine verzugsbegründende Wirkung anzunehmen. Das VKH-Gesuch ist zur Inverzugsetzung nur im Falle eines Stufenantrags geeignet, der nach § 235 Abs. 2 FamFG gerade vermieden werden soll; zudem fehlt es regelmäßig an einer angemessenen Fristsetzung. Im Eilverfahren ist Verfahrensgegenstand nicht der Auskunftsanspruch, sondern die vorläufige Regelung des Zahlungsanspruchs.
Liegen die Voraussetzungen von § 235 Abs. 1 FamFG vor, dann ist das Gericht nach Abs. 2 der Vorschrift verpflichtet, eine Anordnung zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen vorzunehmen. Das Tatbestandsmerkmal in Abs. 1 Satz 1, "soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist", wird jedenfalls auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des BGH nahezu immer erfüllt sein. Denn inzwischen ändert selbst die Erklärung des Schuldners, unbegrenzt leistungsfähig zu sein, nichts an seiner Auskunftspflicht.
Dagegen entfällt die Auskunftspflicht nur ausnahmsweise, z.B. im Falle eines wirksamen Unterhaltsverzichts oder bei offensichtlich fehlender Leistungsfä...