BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 10.12.2019 – 1 BvR 2214/19, juris
1. Das für die Feststellung einer entscheidungserheblichen Tatsache notwendige Maß an richterlicher Überzeugung entspricht auch im Anwendungsbereich von § 37 FamFG demjenigen, das in der Rechtsprechung zu § 286 ZPO herausgebildet worden ist. Ist dieses nicht erreicht, muss das Gericht eine weitere Sachverhaltsklärung vornehmen oder aus dieser Erkenntnis auf sonstige Weise die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen ziehen (vgl. BVerfG v. 29.9.2015 – 1 BvR 1292/15 Rn 25 ff.).
2. Eine gerichtliche Entscheidung über die Entziehung der elterlichen Sorge begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn ihr keine hinreichend konkreten Feststellungen zu den Einschränkungen der Eltern bzgl. ihrer Erziehungsfähigkeit sowie zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit der befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes zugrunde liegen (vgl. BVerfG v. 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14 Rn 37 m.w.N.).
3. Soll eine gerichtliche Entziehung des Sorgerechts der Gefahr vorbeugen, dass die Eltern ihr bereits fremduntergebrachtes Kind aus der Pflegestelle herausnehmen, so bedarf es Ausführungen dazu, warum dieser Gefahr nur durch einen bereits jetzt angeordneten Sorgerechtsentzug begegnet werden kann und weder die Möglichkeit, im gegebenen Fall eine einstweilige Anordnung zu erlassen, noch der Erlass einer Verbleibensanordnung zum Schutze des Kindes ausreichend sind (vgl. jeweils BVerfG v. 13.7.2017 – 1 BvR 1202/17 Rn 33).
4. Die Notwendigkeit eines Sorgerechtsentzuges statt weniger intensiver Maßnahmen ist auch dann aufzuzeigen, wenn es aufgrund einer bereits aktuell absehbaren Veränderung der Pflegesituation eines Kindes ausnahmsweise in dessen Interesse gerechtfertigt sein kann, eine Prognose zu Art und Umfang der dann zu seinem Schutz erforderlichen Maßnahmen zu treffen (hier: absehbarer Wechsel der Pflegestelle des Kindes im Herbst 2020).
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.7.2019 – 20 UF 78/19
Eine länger dauernde Einschränkung des Umgangsrechts des Vaters durch die Anordnung lediglich begleiteter Umgangskontakte bei gleichzeitigem Ausschluss von Übernachtungs- und Ferienumgängen ist nicht gerechtfertigt, wenn sich nach Ausschöpfung der gerichtlichen Aufklärungsmöglichkeiten eine konkrete Gefährdung des Kindes durch unbegleitete Umgangskontakte aus in der Person des Vaters liegenden Gründen nicht feststellen lässt (hier: von der Mutter geäußerter Verdacht des sexuellen Missbrauchs).
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.7.2019 – 20 UF 164/18
Zu den Voraussetzungen für einen gänzlichen Ausschluss oder die dauerhafte Einschränkung des Umgangsrechts des Vaters durch die Anordnung nur noch begleiteter Umgangskontakte gemäß § 1684 Abs. 4 BGB (hier: Vorliegen verneint).
OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.7.2019 – 8 U 228/17, FamRZ 2020, 336 m. Anm. Götz S. 339)
1. Bei einem 16 Jahre alten Patienten kann man in Bezug auf eine radikale Zirkumzision eine Einwilligungsfähigkeit annehmen.
2. Nach dem hier anwendbaren, bis zum 25.2.2013 geltenden Recht genügt die Einwilligung des Minderjährigen in einen solchen, nicht lediglich geringfügigen ärztlichen Eingriffe nicht; erforderlich ist vielmehr auch die Einwilligung der sorgeberechtigen Eltern (sog. Co-Konsens).
3. Es kann typischerweise davon ausgegangen werden, dass der mit dem Kind beim Arzt oder im Krankenhaus vorsprechende Elternteil aufgrund einer allgemeinen Funktionsaufteilung zwischen den Eltern auf diesem Teilgebiet der Personensorge oder einer konkreten Absprache ermächtigt ist, für den abwesenden Elternteil die erforderliche Einwilligung in ärztliche Heileingriffe nach Beratung durch den Arzt mit zu erteilen. Es hängt aber von der Schwere und Reichweite des Eingriffs ab, ob und inwieweit der Arzt sich über die Zustimmung des anderen Elternteils Gewissheit verschaffen muss.
(red. LS)
OLG Hamm, Beschl. v. 29.11.2019 – 12 UF 236/19, FamRZ 2020, 340 m. Anm. Götz S. 339
1. Eine Minderjährige bedarf zum Schwangerschaftsabbruch nicht der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter, wenn sie einwilligungsfähig ist, also nach ihrer geistigen und sittlichen Reife die Tragweite dieses Eingriffs erfassen und ihren Willen hiernach ausrichten kann.
2. An die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit der Minderjährigen durch den behandelnden Arzt sind hohe Anforderungen zu stellen. Die Fähigkeit muss sich sowohl auf den medizinischen Eingriff als auch die Rechtsgüterabwägung beziehen. Zudem muss die Minderjährige auch die Reife zur Bewertung des Eingriffs in Hinblick auf die möglichen psychischen Belastungen aufweisen.