Dieses Merkmal ist nicht neu und auch nicht auf Eheverträge beschränkt, sondern generell im Rahmen der Prüfung einer Sittenwidrigkeit des Vertrages erforderlich.
Zur Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich kann auf die Ausführungen unter Ziff. II. 2 a) verwiesen werden.
Der hohe Stellenwert der Gesamtbetrachtung wird besonders deutlich in der Entscheidung des OLG Hamm ("Britische Buchhalterin", s.o. unter C. I. 5).
Hier ist bemerkenswert, dass die einzelnen vertraglichen Regelungen nicht beanstandet wurden, während die Gesamtbetrachtung eindeutig im Sinne einer Sittenwidrigkeit ausfiel. In objektiver Hinsicht wirkte sich aus, dass Alters- und Krankheitsunterhalt den Kernbereich betreffen und eine spezifische Bedürfnislage der Ehefrau absehbar war, des Weiteren, dass bei Heirat ein Säugling vorhanden war und man sich weitere Kinder vorgestellt hatte mit der Folge, dass das Ehemodell "Kinder und Haushalt" im Bereich des Möglichen lag und deshalb mit ehebedingten Versorgungsnachteilen zu rechnen war. Wegen der vereinbarten Gütertrennung konnten Versorgungsnachteile nicht kompensiert werden. In subjektiver Hinsicht wurde berücksichtigt, dass zwar ein Entwurf übergeben worden war und keine Ausnahmesituation vorlag. Entscheidend für das Gericht waren aber wirtschaftliche Abhängigkeit und sprachliche Unterlegenheit der Ehefrau, die ohne Heirat nur schwach abgesichert gewesen wäre. Sie war nicht finanziell unabhängig und hatte nicht die Möglichkeit der Rückkehr nach Großbritannien. Das – grundsätzlich werthaltige – Argument des Ehemannes, die Firma habe geschützt werden müssen, erwies sich hier als nicht stichhaltig; nach Ansicht des BGH erforderte dieser Schutz nicht einen weitergehenden Unterhaltsverzicht und auch nicht den Ausschluss des Zugewinnausgleichs in Bezug auf das Privatvermögen des Ehemannes. Für diesen ergab sich als fatale Folge, dass die Nichtigkeit den gesamten Vertrag erfasste.
In der Entscheidung der "bosnischen Verkäuferin" (s.o. unter C. I. 4) ließ der BGH die Frage wirksamer Einzel-Regelungen dahinstehen, weil die vertragliche Regelung jedenfalls im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beanstanden war.
Gewidmet ist dieser Beitrag Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Lutz Aderhold zu seinem 70. Geburtstag in alter und freundschaftlicher Verbundenheit.
Autor: Prof. Dr. Winfried Born, Fachanwalt für Familienrecht, Dortmund
FF 4/2021, S. 148 - 159