aa) Betrauung eines Verfahrensbeistandes zugleich mit den Aufgaben einer Ergänzungspflegschaft
Zu dieser Frage hat das OLG Karlsruhe Stellung genommen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass wegen der ganz unterschiedlichen Aufgaben und Pflichten des Verfahrensbeistandes einerseits und der des Ergänzungspflegers andererseits von vornherein die Gefahr eines Rollenkonflikts besteht, den es im Interesse des Kindeswohls zu vermeiden gilt.
Zentrale Aufgabe des Verfahrensbeistandes ist es, das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen (§ 158b Abs. 1 Satz 1 FamFG). Der Verfahrensbeistand ist nicht an den Willen des Kindes gebunden, sondern hat nach dem Willen des Gesetzgebers neben dem subjektiven auch das objektive Kindesinteresse einbeziehen, § 158b Abs. 1 Satz 1 FamFG. Er ist ein Vertreter eigener Art und unterliegt daher weder den Weisungen des Kindes oder der anderen Beteiligten noch der Aufsicht des Gerichts.
Inhalt der Aufgabe des Ergänzungspflegers ist hingegen die Sorge für das Vermögen des Kindes einschließlich der gesetzlichen Vertretung desselben im sachlichen Bereich der Ergänzungspflegschaft (§ 1915 Abs. 1 i.V.m. § 1793 Abs. 1 BGB). Die Pflegschaft verlangt die konsequente Verfolgung der Interessen des Pfleglings. Ein Ergänzungspfleger ist gehalten, aussichtsreiche Rechtsbehelfe zur Verbesserung der Vermögenssituation des Pfleglings zu nutzen. Er setzt sich sonst der Gefahr der Haftung nach § 1591 Abs. 1 i.V.m. § 1833 BB aus. Er ist rechenschaftspflichtig und unterliegt der Aufsicht des Gerichts (§ 1915 Abs. 1 i.V.m. §§ 1840 Abs. 2, 1837 Abs. 2 BGB). Diese Gegenüberstellung zeigt bereits, dass der Verfahrensbeistand eine gänzlich andere Rolle hat als der Ergänzungspfleger.
bb) Schweigepflicht/Zeugnisverweigerungsrecht
Der Verfahrensbeistand unterliegt nicht der anwaltlichen Schweigepflicht des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch wenn er über eine Anwaltszulassung verfügt. Er hat die personenbezogenen Daten nicht in seiner Eigenschaft als Anwalt in Erfahrung gebracht. Vielmehr hat er sie erhalten aufgrund seiner gerichtlichen Bestellung als Verfahrensbeistand. Deswegen hat das OLG Braunschweig seiner Entscheidung zutreffend den Leitsatz vorangestellt, dass Tatsachen, die ein zum Verfahrensbeistand bestellter Rechtsanwalt im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit als Verfahrensbeistand erlangt hat, nicht der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO unterliegen, weil der Verfahrensbeistand diese Tatsachen nicht in seiner spezifischen Eigenschaft als Angehöriger der Berufsgruppe erlangt hat. Er ist auch kein Amtsträger i.S.v. §§ 203 Abs. 2 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB. Vielmehr ergibt sich seine Pflicht zur Verschwiegenheit aus § 158 Abs. 4 FamFG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Verfahrensbeistand ist dem subjektiven Kindesinteresse und dem objektiven Kindeswohl verpflichtet und damit auch dem verfassungsmäßig geschützten Recht des Kindes auf informelle Selbstbestimmung. Diesem entspricht es nicht, wenn personenbezogene Daten des Kindes, welche er in der Funktion als Verfahrensbeistand in Erfahrung gebracht hat, an außenstehende Dritte weitergegeben werden.
Die Verschwiegenheitspflicht des Verfahrensbeistandes ergibt sich ferner aus dem nachfolgend wiedergegebenen Gesetz über die förmliche Verpflichtung nicht beamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) vom 2.3.1974. In dem Bereich des früheren Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, nunmehr seit dem 1.8.2021 umbenannt in AG Kreuzberg, bekamen die Verfahrensbeistände die gerichtlichen Akten erst ausgehändigt, wenn sie zuvor die mündlich erteilte Verpflichtung über die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten gegenüber der Gerichtsverwaltung unterschrieben haben. Auf besondere Strafvorschriften wurden sie hingewiesen.
Zitat
Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz)
Verpflichtungsgesetz v. 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547), zuletzt geändert durch § 1 Nummer 4 des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942)
§ 1
(1) Auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten soll verpflichtet werden, wer, ohne Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches) zu sein,
1. bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, beschäftigt oder für sie tätig ist,
2. bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluss, einem Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig ist oder
3. als Sachverständiger öffentlich bestellt ist.
(2) Die Verpflichtung wird mündlich vorgenommen. Dabei ist auf die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung hinzuweisen.
(3) Über die Verpflichtung wird eine Niederschrift aufgenommen, die der Verpflichtete mit unterzeichnet. Er erhält eine Abschrift der Niederschrift; davon kann abgesehen werden, wenn dies im Interesse der inneren oder äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geboten ist.
(4) Welche Stelle für die Verpflichtung zuständig ist, bestimmt
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