BGB § 1353 § 1385 Nr. 4 1386 1565 1566
Leitsatz
1. Der aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB hergeleitete Anspruch auf Unterrichtung über vermögensrechtliche Belange, dessen beharrliche und grundlose Nichterfüllung mit der vorzeitigen Beendigung der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1385 Nr. 4, 1386 BGB sanktioniert werden kann, endet entsprechend § 1353 Abs. 2 BGB mit dem Scheitern der Ehe (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 17.9.2014 – XII ZB 604/13, FamRZ 2015, 32 und v. 15.8.2012 – XII ZR 80/11, BGHZ 194, 245 = FamRZ 2012, 1785).
2. Ob die Ehe im Sinne der §§ 1353 Abs. 2, 1565 Abs. 1 S. 2 BGB gescheitert ist, muss – wenn nicht die gesetzlichen Zerrüttungsvermutungen des § 1566 BGB eingreifen – als tatrichterliche Prognose unter Würdigung aller Umstände entschieden werden. Leben die Ehegatten getrennt, rechtfertigt der Nichtablauf des Trennungsjahres für sich genommen noch nicht den Schluss, dass die Ehe noch nicht endgültig gescheitert sei und der Unterrichtungsanspruch weiterhin geltend gemacht werden könne.
3. Der Schuldner des Unterrichtungsanspruchs ist für die Umstände, aus denen auf das Scheitern der Ehe geschlossen werden soll, darlegungs- und beweispflichtig.
BGH, Beschl. v. 24.11.2021 – XII ZB 253/20 (OLG Köln, AG Aachen)
Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die Beteiligten sind getrenntlebende Ehegatten und streiten um die vorzeitige Beendigung ihrer Zugewinngemeinschaft.
[2] Die als Hebamme ausgebildete Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der als freiberuflicher Notar tätige Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) haben im Dezember 2009 die Ehe geschlossen, aus der zwei minderjährige Kinder hervorgegangen sind. Im Mai 2018 erfolgte eine räumliche Trennung der Beteiligten innerhalb der Ehewohnung. Nach einer Auseinandersetzung im Dezember 2018 verließ der Ehemann die Ehewohnung.
[3] Erstmals durch Schreiben vom 18.12.2018 verlangte die Ehefrau von dem Ehemann eine Unterrichtung über seinen Vermögensstand. Nach mehreren weiteren Aufforderungsschreiben machte der Ehemann am 27.3.2019 kursorische Angaben zu seinem Immobilienvermögen einschließlich der bestehenden Finanzierungsverbindlichkeiten, zu seinem Notariat sowie zu seinen Girokonten, Wertpapierdepots und Fondsbeteiligungen. Nachdem die Ehefrau diese Unterrichtung als unzureichend beanstandet hatte, ergänzte der Ehemann am 3.5.2019 seine Angaben hinsichtlich Kraftfahrzeugen und Fondsbeteiligungen. Das auf Antrag des Ehemanns eingeleitete Scheidungsverfahren ist seit dem 27.5.2019 rechtshängig.
[4] Im vorliegenden Verfahren hat die Ehefrau mit einem am 30.4.2019 bei Gericht eingegangen und am 6.6.2019 zugestellten Schriftsatz auf vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft angetragen. Sie hat geltend gemacht, dass der Ehemann trotz mehrfacher vergeblicher Aufforderung nur eine äußerst vage Darstellung seiner wirtschaftlichen Situation vorgenommen habe und dies für eine Unterrichtung über den Vermögensstand nicht ausreiche. Der Ehemann ist dem Antrag entgegengetreten. Das Amtsgericht hat dem Antrag der Ehefrau entsprochen und die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufgehoben. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Ehemann mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er weiterhin eine Zurückweisung des Antrags auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft erstrebt.
II. [5] Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
[6] 1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in juris veröffentlicht ist, hält die Voraussetzungen für die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1385 Nr. 4, 1386 BGB für gegeben und hat diese Auffassung wie folgt begründet:
[7] Die aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB hergeleitete Pflicht der Ehegatten, einander während bestehender Ehe unabhängig von der Art des Güterstands wenigstens in groben Zügen über den Bestand ihres Vermögens zu unterrichten, bestehe trotz Trennung der Ehegatten fort und entfalle erst mit dem endgültigen Scheitern der Ehe. Von einem endgültigen Scheitern der Ehe könne nicht bereits bei räumlicher Trennung der Ehegatten ausgegangen werden. Vielmehr müsse hierfür festgestellt werden, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht mehr erwartet werden kann, dass diese wiederhergestellt wird. Die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft sei zwar ein wesentliches Indiz dafür, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestehe. Die Prognose, es könne nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden, dass die Ehegatten diese wiederherstellen, erfordere jedoch die Feststellung des fehlenden Willens, die aufgegebene Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Auf diesen inneren Vorgang könne allenfalls durch äußere Anzeichen geschlossen werden. Die Aufhebung der Lebensgemeinschaft sei hierfür allein noch kein eindeutiges Anzeichen, weil auch die Möglichkeit einer spontan übereilten Entscheidung in Betracht gezogen werden müsse. Es müsse eine gewisse Dauer der Tren...