zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats
Einführung
Kommissionsdokument COM (2022) 695 final (Verfahren 2022/0402/CNS), BMJ-Aktenzeichen: 973150#00021#0008#0001
Stellungnahme Nr.: 7/2023 vom 20.2.2023
A. Zusammenfassung
Der Deutsche Anwaltverein begrüßt das Anliegen des EU-Kommissionsentwurfs, welcher zum Schutz der Rechte von Kindern und Eltern in der Europäischen Union bezogen auf Elternschaft die Harmonisierung von Regelungen über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung umfasst.
Erheblicher Nachbesserungsbedarf wird jedoch gesehen:
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in Bezug auf die Regelung zur gerichtlichen Zuständigkeit, |
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bei den Voraussetzungen für die mitgliedstaatliche Implementierung von Elternschaft, die in Drittstaaten begründet wurde, sowie |
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bei der Verpflichtung der jeweiligen Mitgliedstaaten, zur Begründung der Elternschaft Abstammungsstatute anderer Unionsländer anzuwenden. |
B. Änderungsvorschläge
Der DAV sieht Nachbesserungsbedarf in Bezug auf gerichtliche Entscheidungen und öffentliche Urkunden der Mitgliedstaaten, die auf Geburten in Drittstaaten beruhen. Der Kommissionsentwurf stellt insofern keine einheitlichen Mindeststandards auf, obgleich mitgliedstaatliche Anerkennungsentscheidungen der Elternschaft unionsweite Bindungswirkung entfalten sollen. Die bezweckte Harmonisierung von Elternschaft innerhalb der EU sollte daher ebenfalls – trotz der generellen Unanwendbarkeit der Verordnung in Bezug auf gerichtliche oder behördliche Entscheidungen in oder von Drittstaaten – wesentliche Grundlagen ihrer Implementierung regeln. Mitgliedstaatliche Entscheidungen, die auf drittstaatlichen Vorbedingungen und Sachverhalten, z.B. Geburt durch eine Leihmutter, beruhen, sollten im Lichte des gegenseitigen Vertrauens in die jeweiligen Rechtssysteme auf unionsweit einheitlichen Prüfungsparametern beruhen. Zu diesem Zweck könnte Art. 26 Abs. 1 lit. a) Kommissionsentwurf (VO-Vorschlag) ergänzt werden, indem in jedem Fall für die Beweiskraft der gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung eine Geburtsbescheinigung erforderlich ist und vorgelegt werden muss. Diese sollte auch Gegenstand der auszustellenden Bescheinigung gem. Anhang I i.S.v. Art. 29 Abs. 1 VO-Vorschlag und Anhang II gem. Art. 37 Abs. 1 VO-Vorschlag sein. Für andere öffentliche Urkunden i.S.v. Art. 45 Abs. 1 VO-Vorschlag könnte das Formblatt in Anhang III (Art. 45 Abs. 3 VO-Vorschlag) entsprechend ergänzt werden.
Zudem bestehen erhebliche Bedenken, soweit in Art. 6 VO-Vorschlag frei wählbare gerichtliche Zuständigkeiten vorgesehen sind. Derartige Regelungen leisten einem "Forum Shopping" Vorschub, was es insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext zu vermeiden gilt. Eine alternative Anknüpfungsleiter (Kaskade), die auf den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Person oder des Kindes abstellt, wäre dem Schutz und den Interessen der betroffenen Kinder sowie der Eltern dienlicher.
Erhebliche Bedenken bestehen auch gegenüber der Regelung in Art. 17 Abs. 2 VO-Vorschlag, wonach trotz der Achtung der Souveränität nationalstaatlicher Abstammungsrechte ergänzend das Recht des Mitgliedstaates der Geburt oder der Staatsangehörigkeit des weiteren (putativen?) Elternteils angewendet werden soll. Damit würden nationale Elternschaftsrechte zum einen ausgehöhlt und zum anderen in Bezug auf die Rechtsanwendung weitreichende strukturelle und qualitative Veränderungen notwendig. Die Regelung setzt vertiefte Kenntnisse der einzelnen mitgliedstaatlichen Abstammungsrechte bei allen zuständigen Richter:innen und behördlichen Mitarbeiter:innen voraus. Insoweit müssten, wenn keine präferablen europaweit geltenden Mindeststandards konsensfähig sind, um den Grundsatz des gesetzlichen Richters (iura novit curia) erfüllen zu können, qualifizierte Entscheider für einzurichtende Europäische Abstammungsabteilungen in den Mitgliedstaaten ausgebildet und in Netzwerken verbunden werden. Der Kommissionsentwurf verhält sich zu dieser Problematik bislang nicht.
C. Im Einzelnen
1. Wesentlicher Inhalt des Kommissionsentwurfs
Die EU-Kommission schlägt den Mitgliedstaaten ein neues europäisches Elternschaftsrecht einschließlich eines europäischen Elternregisters vor. Ziel ist der Schutz von Kindern in grenzüberschreitenden Rechtsverhältnissen innerhalb der EU. In allen Angelegenheiten, in denen Kinder betroffen sind, müssten, so die Begründung, das Kindeswohl und die Rechte der Kinder vorrangig maßgeblich berücksichtigt werden.
In den Gründen wird angeführt, dass sich eine Notwendigkeit der Harmonisierung insbesondere deshalb ergebe, weil sich Bürger zunehmend in grenzüberschreitenden Situationen befänden, z.B. Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat lebten, Familien in einen anderen Mitgliedstaat umzögen u.Ä. Das Recht der Freizügigkeit sei zwar unionsweit vorhanden, enthalte aber nicht sogleich auch die Anerkennung einer bestehenden Elternschaft, also Zuordnung des Kindes zu einem Elter oder z...