I. Geltendmachung der Ansprüche im Verbund
Die anwaltliche Vertretung steht häufig vor der Frage, ob nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich als Folgesache im Verbund geltend gemacht werden soll (oder alternativ nach Abschluss des Scheidungsverfahrens isoliert).
Die Folgesache nachehelicher Unterhalt wird in der Regel im Scheidungsverbund geltend gemacht. Damit kann sichergestellt werden, dass sich an die Rechtskraft der Scheidung nahtlos Unterhalt anschließt. Dies gilt umso mehr, wenn zuvor ein großzügiger Trennungsunterhalt tituliert wurde, der aufgrund der Verfahrensdauer des Scheidungsverbunds weitergezahlt werden muss.
Der Antragsteller hat ein Wahlrecht, ob er die Folgesache Güterrecht (Zugewinnausgleich) in einem selbstständigen Verfahren nach Rechtskraft der Scheidung geltend macht oder in den Scheidungsverbund einbezieht. Grds. gilt für die anwaltliche Vertretung des ausgleichsberechtigten Ehegatten, dass die Einbeziehung der Ansprüche in den Verbund, der sich insb. durch die Güterrechtssache hinziehen kann, erheblichen Bedenken begegnet. Dies liegt insb. daran, dass eine Kostenerstattung meist nicht in Betracht kommt, vgl. § 150 FamFG und insb. ein erheblicher "Zinsschaden" droht, weil Zinsansprüche erst mit Beendigung des Güterstands (Rechtskraft der Scheidung) einsetzen (§ 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB).
Kogel hat deshalb die These formuliert: "Zugewinn im Verbund – im Zweifel ein Anwaltsregress".
Stolperfalle:
Das Wahlrecht kann nur in der Weise ausgeübt werden, dass der Zugewinnausgleich gerichtlich erst nach Abschluss des Scheidungsverfahrens beim Familiengericht beantragt wird. Ist das Scheidungsverfahren hingegen bei Antragstellung noch nicht abgeschlossen, tritt der aus Scheidungs- und Folgesachen bestehende Verbund kraft Gesetzes ein, ohne dass die Ehegatten hierüber disponieren können. Der Antrag, die Folgesache Güterrecht entgegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 S. 1 FamFG in einem isolierten Verfahren führen zu wollen, ist daher für die Entstehung des Verbunds unbeachtlich.
II. Rücknahme des Scheidungsantrags
Die Rücknahme des Scheidungsantrags hat zur Folge, dass das Verfahren als nicht rechtshängig geworden anzusehen ist, vgl. § 269 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 ZPO. Ein zuvor ergangener, noch nicht rechtskräftig gewordener Beschluss wird wirkungslos; es bedarf dazu keiner ausdrücklichen Aufhebung, vgl. § 269 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 ZPO.
Eine solche Rücknahme des Scheidungsantrags kann taktische Gründe haben. Mitunter wird ein Scheidungsantrag gestellt, um bestimmte Stichtage zu fixieren, etwa für den Zugewinnausgleich. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Gegner wirtschaftlichen Erfolg mit seinem Unternehmen hat, Ackerland unerwartet zu Bauland wurde oder ein Lottogewinn angefallen ist, wird durch die Rücknahme und das spätere erneute Einreichen des Scheidungsantrags ein erhöhter Zugewinnausgleichsanspruch möglich. Umgekehrt kann mit dieser Strategie auch ein hoher Zugewinnausgleich vermieden werden, etwa wenn seit Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ein erheblicher Verlust z.B. mit Wertpapieren eingetreten ist.
Stolperfalle:
Ist die Antragsgegnerin/der Antragsgegner anwaltlich vertreten, muss diese Strategie durch einen "zweiten" Scheidungsantrag unterbunden werden.
Die Antragsgegnerin/der Antragsgegner kann innerhalb des bereits eingeleiteten Scheidungsverfahrens einen zweiten Scheidungsantrag stellen, obwohl Identität des Streitgegenstands besteht. Der zweite Scheidungsantrag wird bedeutsam, wenn der zuvor von der Gegenseite gestellte Scheidungsantrag zurückgenommen wird. Erfüllt der zweite Scheidungsantrag in einem solchen Fall die formellen Voraussetzungen einer Antragsschrift, dann ist trotz der Rücknahme des Erstantrags die Scheidung – unterstellt die Ehe ist i.S.d. §§ 1565 ff. BGB gescheitert – zu vollziehen. Die für den Versorgungsausgleich bzw. den Zugewinnausgleich maßgeblichen Stichtage werden in solchen Fällen durch den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt, der das zur Scheidung führende Verfahren ausgelöst hat.
Die wichtige Konsequenz dieses zweiten Scheidungsantrags ist damit, dass ein günstiger Stichtag für den Zugewinnausgleich bestehen bleibt, die Rücknahme des Erstantrags also folgenlos bleibt.
Praxishinweis:
War die Antragsgegnerin/der Antragsgegner im Scheidungsverfahren nicht anwaltlich vertreten, stellt seine Zustimmung zur Scheidung kein Verhandeln im Sinne §§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 1 ZPO dar, weshalb es seiner Zustimmung zur Rücknahme des Antrags nicht bedarf. Ein Ehescheidungsantrag kann in einem solchen Fall sogar bis zur (formellen) Rechtskraft der Scheidung gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht zurückgenommen werden; der Einlegung einer Beschwerde bedarf es nicht.