§ 66 FamFG regelt einheitlich für den gesamten Anwendungsbereich des FamFG die Möglichkeit, sich der Beschwerde eines anderen Beteiligten auch ohne Einlegung einer eigenen Beschwerde anzuschließen.
Der Beschwerdegegner hat praktisch ein Wahlrecht: Legt er innerhalb der gesetzlichen Frist nach § 63 Abs. 1 FamFG und unter Beachtung der erforderlichen Form selbstständig eine Beschwerde ein, so ist über diese auch zu entscheiden, wenn der Beschwerdeführer im Verfahren von seiner Beschwerde Abstand nimmt. Ansonsten ist es ihm möglich, auch nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 63 FamFG, eine (unselbstständige) Anschlussbeschwerde zu erheben, welche aber von der Hauptbeschwerde abhängig ist, d.h. bei deren Rücknahme oder Unzulässigkeit gegenstandslos wird (§ 66 S. 2 FamFG).
Stolperfalle:
Wird keine Anschlussbeschwerde eingelegt, ist die Hauptbeschwerde für den Beschwerdeführer risikolos. Jedenfalls kann aufgrund der Bestimmung des § 528 ZPO jedenfalls in Familienstreitsachen keine Entscheidung gegen ihn ergehen, die eine Verschlechterung zur Folge hat. Wurde etwa 500 EUR Unterhalt in erster Instanz zugesprochen, kann aufgrund der Beschwerde dieser Betrag zwar erhöht, aber nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers reduziert werden.
Regelmäßig erfolgt daher die Anschlussbeschwerde als "Gegenangriff" ("Ausschaltung" der reformatio in peius) innerhalb eines fremden Rechtsmittels. Die Anschlussbeschwerde ist insoweit kein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag innerhalb der fremden Beschwerde.
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anschlussbeschwerde fehlt nur dann, wenn das Verbot der reformatio in peius nicht eingreift, sodass das Beschwerdegericht die Entscheidung auch schon ohne die Einlegung einer Anschlussbeschwerde zugunsten des betroffenen Beteiligten abändern kann. Das ist z.B. in den Kindschaftssachen des § 151 Nr. 1-3 FamFG der Fall, in denen ein Anschlussrechtsmittel daher nur die Bedeutung einer Anregung hat.
Stolperfalle:
Gem. § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO sind Anschlussbeschwerden in Ehe- und Familienstreitsachen grds. nur bis zum Ablauf der Frist zur Beschwerdeerwiderung zulässig. Dies gilt also insbesondere für Beschwerden in güterrechtlichen Verfahren und sonstigen Familiensachen.
Eine Ausnahme dazu gilt für Unterhaltsverfahren gem. § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 524 Abs. 2 S. 3 ZPO, d.h. in diesem Falle kann die Anschlussbeschwerde sogar noch in der mündlichen Verhandlung beim Beschwerdegericht erhoben werden. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass Unterhaltsverfahren einer besonderen Dynamik ausgesetzt sind und auf diese Art und Weise den Aktualitäten Rechnung getragen werden kann.
Stolperfalle:
Sollte der Beschwerdegegner für eine Anschlussbeschwerde VKH beantragen und auch bewilligt bekommen, sind die Erfolgsaussichten der Hauptbeschwerde unbedingt zu überprüfen. Das Gericht räumt der Anschlussbeschwerde aufgrund der VKH-Bewilligung Chancen ein. Der Hauptbeschwerdeführer sollte daher überlegen, ob er nicht die Ausgangsentscheidung durch Rücknahme seines Rechtsmittels absichert. Die Rücknahme der Beschwerde führt zur Rechtskraft der Ausgangsentscheidung, die dann nicht mehr zum Nachteil des Beschwerdeführers geändert werden kann.
Autor: Dr. Franz-Thomas Roßmann, Rechtanwalt, Fachanwalt für Familienrecht, Volkach
FF 4/2023, S. 146 - 154