aa) Hauptsacheverfahren
(1) In Familienstreitsachen gilt über § 113 Abs. 1 FamFG bezüglich Sachvortrag, Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, Beweisverfahren, Beweismaß und Dispositionsmöglichkeiten über den Verfahrensgegenstand ein Verweis auf die Regelungen der ZPO. Die Regelungen der Verfahren vor dem Amtsgericht (§§ 495 bis 510b ZPO) sind davon nicht erfasst, da § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG ausschließlich auf die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten verweist. Es gilt für den Sachvortrag der Beibringungsgrundsatz, der in Unterhaltsverfahren durch die §§ 235 ff. FamFG jedoch gewissen Einschränkungen unterworfen sein kann. Das Beweismaß richtet sich nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 286 ZPO. Da dieser mit dem Maßstab im FamFG identisch ist, kann diesbezüglich nach oben verwiesen werden. Das Beweisverfahren richtet sich nach den §§ 355 bis 484 ZPO, wobei in Unterhalts- und teilweise auch in Gütersachen über §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 287 ZPO analog bei vielen praxisrelevanten Streitpunkten eine Schätzung durch die Rechtsprechung ermöglicht wird, was Beweisaufnahmen in diesen Fällen obsolet machen kann. Ebenfalls ist zu bedenken, dass das Gericht eine Tatsache allein aufgrund einer Beteiligtenanhörung (also ohne förmliche Parteivernehmung) nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 141 ZPO als wahr bzw. gegeben ansehen kann.
(2) Die Dispositionsmöglichkeiten über den Verfahrensgegenstand wie Antragsrücknahme, Anerkenntnis, Erledigungserklärungen, Antragsänderungen und Vergleich bestehen in Familienstreitsachen ebenso wie in der ZPO. Wideranträge sind jedoch nur möglich, wenn es sich bei dem auf diesem Wege in das Verfahren eingeführten Anspruch ebenfalls um eine Familienstreitsache handelt, was im Übrigen auch für die Aufrechnung im Verfahren gilt. Typische Fallstricke aus Anwaltssicht sind Wideranträge auf Nutzungsentschädigung nach §§ 1361b Abs. 3 Satz 2, 1361a Abs. 2 Satz 2 FamFG im Trennungsunterhaltsverfahren (beide Ansprüche auf Nutzungsentschädigung sind Familiensachen nach § 111 Nr. 5 FamFG). Wegen der unterschiedlichen Verfahrensregime scheidet eine Umdeutung derartiger Anträge aus. Die im Wege des Widerantrags in diesen Fällen eingeleiteten Verfahren müssten nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 145 ZPO abgetrennt werden. Aus Anwaltssicht lauern bei Dispositionen über bestimmte Familienstreitsachen weitere Gefahren. Z.B. sind (konkludente) Verzichte in Unterhaltssachen starken Einschränkungen unterworfen (§§ 1615l Abs. 3 Satz 1, 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1614 und 1588c BGB), was besonders bei Vergleichen relevant ist, die sich außerhalb der vom BGH gezogenen zulässigen 20-33 % Unterschreitungsgrenze hinsichtlich des gesetzlichen Anspruchs bewegen. Denn in einem solchen Vergleich lägen unzulässige Teilverzichte. Der Vergleich wäre nach § 134 BGB nichtig und das Verfahren wäre nicht beendet, sondern noch rechtshängig, so dass es statt einer Vollstreckungsgegenklage fortzusetzen wäre, wenn die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend gemacht werden soll. Der für den Mandanten vermeintlich gute Vergleich kann sich deshalb in diesen Fällen als "Eigentor" entpuppen.