(1) § 115 FamFG erfasst zum Ersten Angriffs- und Verteidigungsmittel, wozu Tatsachenbehauptungen und deren Bestreiten, Einwendungen (z.B. Gestaltungsrechte, Aufrechnung), Beweisanträge und Beweiseinreden gehören. Veränderungen des Verfahrensgegenstandes (auch selbstständige Angriffe genannt) wie Antragserweiterung, Antragsänderung oder Erheben eines Widerantrags fallen ebenso nicht darunter wie Rechtsausführungen.
(2) Diese müssen zum Zweiten verspätet im Sinne dieser Vorschrift sein. Hier gilt der Maßstab des §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 282 ZPO. § 282 Abs. 1 ZPO betrifft den Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung (oder in der Ablauffrist im schriftlichen Verfahren), denn dort müssen Angriffs- und Verteidigungsmittel vorgebracht werden. Ein verspätetes Vorbringen nach § 282 Abs. 1 ZPO vor dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung ist daher nicht möglich. § 282 Abs. 2 ZPO ordnet demgegenüber als Spezialvorschrift an, dass bestimmte Angriffs- und Verteidigungsmittel bereits vor der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden müssen. Von § 282 Abs. 2 ZPO sind solche Angriffs- oder Verteidigungsmittel erfasst, zu denen die Gegenseite Erkundigungen bei Dritten oder der Bevollmächtigten beim Mandanten Erkundigungen einholen muss und er dies nicht mehr rechtzeitig vor einem bereits anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung tun kann. Die Bemessung dieser Frist ist eine Frage des Einzelfalls und nicht mit derjenigen des § 132 ZPO identisch, wenngleich diese Frist ein Anhaltspunkt sein kann Es ist zu beachten, dass ein verspätetes Vorbringen dort nicht denkbar ist, wo eine Amtsermittlungspflicht besteht. In Unterhaltssachen wird in der Literatur eine eingeschränkte Amtsermittlungspflicht im Anwendungsbereich der §§ 235, 236 FamFG angenommen. Der Gesetzgeber, der sich bei Schaffung der Normen entsprechend kritischen Einwendungen des Bundesrats diesbezüglich ausgesetzt sah, wollte eine Einschränkung des Beibringungsgrundsatzes nur für den Fall einführen, dass "der Verpflichtete sich seiner materiell-rechtlichen Auskunftspflicht gegenüber dem Berechtigten zu entziehen versucht". Es ist fraglich, was dies für praktische Konsequenzen hat, da der Beibringungsgrundsatz offenkundig in einem gewissen Widerspruch bzw. Spannungsverhältnis dazu steht. Praktisch bedeutsam ist die Frage, ob Sachvortrag zur Unterhaltsberechnung daher überhaupt verspätet sein kann, weil das Gericht dann womöglich sehenden Auges eine materiell-rechtlich falsche Entscheidung aufgrund einer Präklusion treffen müsste. Grundsätzlich nimmt der Gesetzgeber diese Möglichkeit in Unterhaltssachen, die als Familienstreitsachen zu qualifizieren sind, offensichtlich hin, zumal er ihr durch den Anwaltszwang nach § 114 Abs. 1 FamFG, der dem Schutz der Beteiligten dienen soll, begegnet. Der Umfang der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht besteht auch nur eingeschränkt, denn eine Pflicht des Gerichts besteht nur im Falle des § 235 Abs. 2 FamFG, also wenn ein Beteiligter zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Das Vorgehen nach § 235 Abs. 1 FamFG ist nicht verpflichtend, sondern steht nur im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Bezüglich sämtlicher Sachverhaltsumstände, welche die Unterhaltsberechnung betreffen, ist daher zunächst von einer uneingeschränkten Geltung des Beibringungsgrundsatzes auszugehen. Die §§ 235, 236 FamFG sollten vornehmlich eine Alternative zum Stufenverfahren bieten, jedoch keine Rückausnahme zu § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG schaffen. Nur wenn das Gericht also eine (in der Praxis sehr seltene) Anordnung nach den §§ 235 Abs. 1 oder 2 FamFG trifft, kann demnach der darauf folgende Sachvortrag nicht verspätet sein. Durch eine Anordnung nach § 235 Abs. 1 FamFG kann das Gericht also auch selbst verhindern, dass es wegen Verspätung zu einer falschen Sachentscheidung kommt. Unterbleiben Anordnungen nach den §§ 235, 236 FamFG, so kann jeglicher Sachvortrag der Beteiligten der Verspätung unterliegen.
(3) Die Verspätung muss zum Dritten zu einer ursächlichen Verzögerung des Verfahrens führen. Entscheidend ist, dass sich die Verfahrensdauer insgesamt durch Berücksichtigung des verspäteten Vortrags verlängern würde. Denkbar ist dies bei isolierten Verfahren wegen des absoluten Verzögerungsbegriffs des BGH nur, wenn bei bestehender Entscheidungsreife ein weiterer Termin zur mündlichen Verhandlung notwendig würde, etwa wegen einer Beweisaufnahme. Da eine endgültige Präklusion letztlich nur in zweiter Instanz denkbar ist, käme es also auf die mündliche Verhandlung in zweiter Instanz an. Bei Verbundverfahren ist eine Verfahrensverzögerung nur dann denkbar, wenn der gesamte Verbund entscheidungsreif wäre.
(4) Zum Vierten muss die Verzögerung auf grober Nachlässigkeit beruhen. Damit entspricht der Maßstab demjenigen des § 296 Abs. 2 ZPO. Grobe Nachlässigkeit liegt vor, wenn die eigene Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich großem Umfang verletzt worden ist und damit das unterla...