1.
Die Entscheidung ist u.E. für die familiengerichtliche Praxis von großer Bedeutung. Es ist zu hoffen, dass sie dazu beiträgt, dass künftig in Fällen des eigenmächtigen Verbringens eines Kindes durch einen Elternteil innerhalb Deutschlands, auf Eilantrag des zurückgelassenen Elternteils diesem – wenn er bereit und in der Lage ist, die Betreuung des Kindes zu übernehmen – häufiger das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind übertragen wird. War der eigenmächtig handelnde Elternteil bislang die Hauptbetreuungsperson, so mag sich die Sache freilich anders darstellen, obschon man auch in diesen Fällen versuchen sollte, diesem Elternteil klarzumachen, was der plötzliche Umzug für das Kind bedeutet, und ihn zu bewegen, gemeinsam mit dem Kind in dessen bisheriges Umfeld zurückzukehren. Es zeigt sich die hohe Bedeutung sofortiger Terminierung und Entscheidung, um das Entstehen einer vorläufigen Kontinuität schon im Ansatz zu unterbinden. Bemerkenswert ist, dass das BVerfG im Zitatwege eine Verbindung zwischen dem hier gegebenen Inlandsfall und den HKÜ-Fällen mit Auslandsbezug herstellt und darüber hinaus – soweit ersichtlich erstmals – auch generalpräventive Aspekte anspricht. Das könnte auf härtere Zeiten für eigenmächtig handelnde Elternteile hindeuten …
Von Interesse ist auch die Kritik am Entscheidungsmaßstab des OLG. Allerdings ist es statthaft, den im Falle einer Abänderung der Entscheidung des FamG zu gewärtigenden mehrfachen Wechsel des Aufenthaltsorts – und der Hauptbezugsperson – des Kindes als gewichtigen Aspekt bei der Einzelfallabwägung – aber erst dort! – zu berücksichtigen. Denn freilich beeinträchtigen solche mehrfachen Wechsel das Kindeswohl in nicht unerheblichem Maße (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1626).
Dem Rechtsanwalt des zurückgelassenen Elternteils ist daher zu raten, unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des BVerfG unverzügliche Terminierung binnen Tagesfrist zu beantragen und glaubhaft zu machen, dass er zur Übernahme (oder Fortführung) der Betreuung des Kindes bereit und imstande ist. Der Elternteil, der bei Trennung mit dem Kind wegziehen will, sollte dringend vorher das Aufenthaltsbestimmungsrecht im EA-Wege beantragen.
2.
Der dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegte Sachverhalt ist auch vor dem Hintergrund des bereits in Kraft getretenen Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls und dem zum 1.9.2009 in Kraft tretenden FGG-Reformgesetz – gerichtet auf eine vollständige Reform des Verfahrens in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (künftige Bezeichnung: "FamFG") – von Bedeutung.
2. 1
Zum 12.7.2008 ist das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls in Kraft getreten. Die dortigen Regelungen haben u.a. verfahrensrechtliche Änderungen nach sich gezogen, zu denen auch die Änderung des § 50e FGG zählt. Danach gilt in den Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie in den Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls ein deutliches Vorrang- und Beschleunigungsgebot: Das Gericht hat die Sache mit den Beteiligten in einem Termin zu erörtern, der spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll. Gesetzlich vorgesehen ist nunmehr zudem eine Anhörung des Jugendamtes in dem Termin. Eine Terminsverlegung ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Für den Fall einer beantragten Terminsverlegung ist der Verlegungsgrund glaubhaft zu machen.
Mit dieser veränderten Fassung des § 50e FGG hat der Gesetzgeber die ursprünglich erst im Zusammenhang mit der Reform des FGG vorgesehene Einführung des Vorrang- und Beschleunigungsgebots vorweggenommen, wobei sich der Wortlaut des § 50e FGG praktisch inhaltsgleich in § 155 FamFG wiederfindet und dort für "Kindschaftssachen" i.S.d. künftigen § 151 FamFG gilt. Diesem zufolge sind Kindschaftssachen Verfahren, die die elterliche Sorge, das Umgangsrecht, die Kindesherausgabe, die Vormundschaft, die Pflegschaft, die Genehmigung sowie die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen sowie Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz betreffen. Die Vorwegnahme des Vorrang- und Beschleunigungsgebots beruht darauf und zeigt zugleich, dass der Gesetzgeber eine möglichst schnelle gesetzliche Verankerung der beschleunigten Durchführung für die vorgenannten Verfahren als notwendig angesehen hat. Ziel ist es, der besonderen Bedeutung des Kindeswohls Rechnung zu tragen. Das Beschleunigungsgebot wird nach dem FamFG in jeder Verfahrenslage gelten, wozu dann auch eine mögliche Fristsetzung für den Sachverständigen gehört, wie sie in § 163 FamFG vorgesehen ist.
Verfahrensverzögerungen wie sie dem vom BVerfG zu bewertenden Sachverhalt zugru...