1. Anwaltszwang in selbständigen Familienstreitsachen für Beteiligte bzw. in Ehesachen und Folgesachen für Ehegatten
§ 114 FamFG regelt den Anwaltszwang in Familiensachen. Die Vorschrift überlagert die allgemeine Regelung des § 10 FamFG.
Als spezielle Regelung verdrängt § 114 FamFG auch die Vorschrift des § 78 ZPO vollständig. § 78 ZPO ist damit auch nicht über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG ergänzend anzuwenden.
Nach § 114 Abs. 1 FamFG müssen sich die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen und die Beteiligten in selbständigen Familienstreitsachen vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten gem. § 114 Abs. 2 FamFG durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. § 114 Abs. 3 FamFG enthält ein umfassendes Behördenprivileg.
Das FGG-Reformgesetz erweitert damit den Anwaltszwang für erstinstanzliche Unterhaltsstreitigkeiten. Das Unterhaltsverfahren soll nach Ansicht des Gesetzgebers wegen der erheblichen Auswirkungen und häufig existenziellen Folgen sowie der ständig zunehmenden Komplexität des materiellen Rechts nicht mehr allein durch die Beteiligten selbst geführt werden. Die Einführung des Zwangs zur anwaltlichen Vertretung bereits im erstinstanzlichen Verfahren dient auch dem Schutz der Beteiligten, insbesondere des Unterhaltsberechtigten, und zur Gewährleistung von Waffengleichheit.
Eine zusätzliche Erweiterung des Anwaltszwangs ergibt sich zudem insoweit, als sonstige Familiensachen (§ 266 FamFG), die bisher vor dem Amtsgericht (Zivilabteilung) ohne Anwaltszwang geführt werden konnten, nunmehr vor dem Familiengericht dem Anwaltszwang unterliegen, soweit sie Familienstreitsachen sind (vgl. § 112 Nr. 3 FamFG).
§ 114 Abs. 4 Nr. 1–7 FamFG gestattet Ausnahmen vom Anwaltszwang:
- im Verfahren der einstweiligen Anordnung
- wenn ein Beteiligter durch das Jugendamt als Beistand vertreten ist
- für die Zustimmung zur Scheidung und zur Rücknahme des Scheidungsantrags und für den Widerruf der Zustimmung zur Scheidung
- für einen Antrag auf Abtrennung einer Folgesache von der Scheidung
- im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe
- in den Fällen des § 78 Abs. 3 der ZPO
- für den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 3 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes und die Erklärungen zum Wahlrecht nach § 15 Abs. 1 und 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes.
2. Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln in Familienstreitsachen und Ehesachen
§ 115 FamFG bestimmt für Familienstreitsachen und Ehesachen die Möglichkeit der Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln. Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht rechtzeitig vorgebracht werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Im Übrigen sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel abweichend von den allgemeinen Vorschriften zuzulassen.
3. Entscheidung durch Beschluss in Familiensachen
§ 116 Abs. 1 FamFG bringt zum Ausdruck, dass in allen Familiensachen durch Beschluss entschieden wird. Urteile gibt es weder in Familienstreitsachen noch in Ehesachen. Es gelten für die Entscheidung durch Beschluss ebenfalls die §§ 38, 39 FamFG.
4. Wirksamkeit von Endentscheidungen in Familienstreitsachen und Ehesachen
Das FamFG AT regelt in § 40 FamFG das Wirksamwerden gerichtlicher Beschlüsse im FamFG-Verfahren. Ein Beschluss wird nach Abs. 1 mit der Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist, wirksam.
Im Besonderen regelt § 116 Abs. 2, 3 FamFG das Wirksamwerden von Endentscheidungen in Familienstreitsachen und Ehesachen. Für die fG-Familiensachen verbleibt es dagegen bei der allgemeinen Vorschrift des § 40 FamFG.
a) Wirksamkeit von Endentscheidungen in Familienstreitsachen
Endentscheidungen in Familienstreitsachen werden nach § 116 Abs. 3 S. 1 FamFG erst mit Rechtskraft wirksam. Mit dem Wirksamwerden sind die Beschlüsse in Familienstreitsachen vollstreckbar (vgl. § 120 Abs. 2 S. 1 FamFG).
Jedoch kann das Gericht nach § 116 Abs. 3 S. 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit anordnen mit der Folge einer sofortigen Vollstreckbarkeit nach § 120 Abs. 2 S. 1 FamFG. Nach § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen, soweit die Entscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält. Die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift bringt die Bedeutung des Unterhalts zur Sicherung des Lebensbedarfs zum Ausdruck. Auf eine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit kann daher teilweise oder vollständig verzichtet werden, wenn z.B. das Jugendamt nach § 33 Abs. 2 S. 4 SGB II, § 94 Abs. 4 S. 2 SGB XII oder § 7 Abs. 4 S. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UhVorschG) übergegangene Ansprüche geltend macht oder wenn neben dem laufenden Unterhalt länger zurückliegende Unterhaltsrückstände verlangt werden. Durch diese Vorschrift wird das Rechtsinstitut der vorläufigen Vollstreckbarkeit in Familienstreitsachen entbehrlich.