Die Entscheidung des OLG Nürnberg macht zu Recht deutlich, dass es für die Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1578b BGB maßgeblich darauf ankommt, welcher Unterhaltstatbestand zugrunde liegt. Während beim Anspruch auf Aufstockungsunterhalt die Billigkeitsprüfung wesentlich davon geprägt ist, ob und inwieweit ehebedingte Nachteile vorhanden sind, verliert dieser Gesichtspunkt bei anderen Unterhaltstatbeständen an Bedeutung. Bei einem Unterhalt wegen Krankheit, die in der Regel nicht ehe-, sondern schicksalsbedingt ist, wird die Ehedauer das maßgebliche Abwägungskriterium für das Ausmaß der nachehelichen Solidarität darstellen. Das OLG hat daher bei seiner Ablehnung einer Unterhaltsbefristung auf die lange Ehedauer von ca. 20 Jahren abgestellt und auf den Umstand, dass sich der aktuelle Gesundheitszustand der unterhaltsberechtigten Ehefrau nicht erst jüngst, sondern während der langen Ehe entwickelt hat.

In der Praxis wird man deswegen viel stärker als bisher der Frage nachgehen müssen, welcher Unterhaltstatbestand zugrunde liegt.

Unklar ist das OLG in der Begründung hinsichtlich der Auswirkungen der abgelehnten Unterhaltsbefristung geblieben. In der Begründung heißt es, dass der Unterhalt wegen Krankheit "jedenfalls derzeit und auf absehbare Zeit" unabhängig von einer Verbesserung des Gesundheitszustandes geschuldet wird. Ob in einigen Jahren eine Abänderung alleine deswegen gerechtfertigt sei, weil keine ausreichenden Behandlungsmaßnahmen ergriffen wurden, sei im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Dabei bleibt offen, ob das Gericht eine Befristung abgelehnt hat, weil es auf Dauer keinen Befristungsgrund sieht, oder ob die Befristung abgelehnt wurde, weil derzeit eine Prognose darüber, ob eine Befristung möglich ist, noch nicht getroffen werden kann. Wegen der Problematik, inwieweit eine Präklusion eintritt oder ob bei geänderten Umständen eine Abänderungsmöglichkeit hinsichtlich des Befristungseinwandes gegeben ist, wäre es wünschenswert, wenn hierzu klare Festlegungen in den Urteilsgründen getroffen werden.

Zum Teil wird in der Literatur vertreten, dass die Lehre des BGH zu den Teilansprüchen im neuen Unterhaltsrecht gegenstandslos geworden sei.[1] Dies wird damit begründet, dass es auf die Unterscheidung nach einzelnen Teilunterhaltstatbeständen (beispielsweise beim Zusammentreffen von Betreuungsunterhalt und Aufstockungsunterhalt oder beim Zusammentreffen zwischen Unterhalt wegen Krankheit und Aufstockungsunterhalt) nicht mehr ankomme, weil die Vorschrift zur Begrenzung und Befristung nachehelichen Unterhalts nunmehr auf alle Unterhaltstatbestände anzuwenden sei. Die Entscheidung des OLG Nürnberg zeigt, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. Die Gewichtung der einzelnen für die Billigkeitsabwägung bedeutsamen Kriterien des § 1578b BGB hängt vom jeweiligen Unterhaltstatbestand ab. Deswegen kommt es mehr denn je darauf an, die Teilansprüche zu ermitteln.[2] Es kann sich beispielsweise die Fallgestaltung ergeben, dass sich ein Unterhaltsbetrag von 1.200 EUR aus einem Teilanspruch auf Kinderbetreuung in Höhe von 900 EUR und einem Teilanspruch auf Aufstockungsunterhalt in Höhe von 300 EUR zusammensetzt. Dann stellt sich in der jeweiligen Fallkonstellation die Frage, ob nicht der Aufstockungsteil zeitlich befristet oder betragsmäßig herabgesetzt werden kann.

Das wird die Rechtsprechung noch zu klären haben.

Dr. Mathias Grandel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Augsburg

[1] FA-FamR/Gerhardt, Kap. 6 Rn 355.
[2] S. ausführlicher Schnitzler/Grandel, MAH Familienrecht, 2. Aufl. § 9 Rn 265 ff., 273; siehe auch Barth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, Rn 165 und Erman/Graba, 12. Aufl., § 1577 Rn 12.

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