Jörg Kleinwegener
Die Beratungshilfe, deren Voraussetzungen und deren Abrechnung ist ein Thema, welches die Anwaltschaft, gerade aber auch die im Familienrecht tätigen Kolleginnen und Kollegen, intensiv beschäftigt. Hatte man Anfang der 1980-Jahre mit bundesweiten Kosten von 14 bis 18 Mio. Mark für die Beratungshilfe gerechnet, war man im Jahre 2006 dann doch etwas erstaunt, dass daraus rund 45 Mio. EUR geworden waren. Im Jahre 2004 wurde die Summe der aufgewandten Kosten mit 28,5 Mio. EUR angegeben. Der Marktwert bei einem durchschnittlichen Gegenstandswert für Beratung/Auskunft, für Vertretung und Einigung/Vergleiche mit jeweils 7.500 EUR fiktiv angesetzt, ergibt eine Differenz zwischen dem Marktwert von 226,06 Mio. EUR bei "voller Abrechnung" und der gezahlten Beratungshilfe und von ca. 28,5 Mio. EUR mit 197,56 Mio. EUR. Das ist also Pro-Bono-Leistung der Anwaltschaft im Jahre 2004 (DAV-Depesche 01/06 vom 5.1.2006). Angesichts dieser Kosten hat der Bundesrat am 10. Oktober 2008 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beratungshilferechts beim Deutschen Bundestag eingebracht. Beratungshilfe soll nicht bewilligt werden bei Mutwilligkeit: Dies ist der "vernünftige Selbstzahler", der auf anwaltlichen Rat verzichten würde, weil er die Angelegenheit selbst bearbeiten kann. Weiterhin sollen regionale Listen anderer Hilfemöglichkeiten eingeführt werden, auf die verwiesen werden darf. Der auf Unterhalt in Anspruch genommene Kindesvater wird sich also durch das zuständige Jugendamt, ggf. noch durch die Unterhaltsvorschusskasse, beraten lassen, was er zu zahlen hat. Beratungshilfe soll es nur dann geben, wenn eine Vertretung durch einen Anwalt unbedingt erforderlich ist. Die nachträgliche Antragstellung soll ersatzlos gestrichen werden.
Wenn der Hilfesuchende gegenwärtig kurz vor Dienstschluss bei dem zuständigen Rechtspfleger erscheint, ist es meistens ein Leichtes, den Berechtigungsschein sofort zu erhalten. Einige Rechtspfleger geben aber auch gerne ein Antragsformular aus der Hand mit dem Hinweis, dies werde der Anwalt ausfüllen und wieder einreichen. Wird ein Berechtigungshilfeschein erteilt, handelt es sich sehr oft um sog. All-Inclusive-Scheine mit dem Aufdruck "Trennung, Scheidung, Folgesachen". Es stellt sich dann die Frage, ob hier alles "in einen Topf geworfen wird" oder aber verschiedene Angelegenheiten abzurechnen sind. Wenn nachträglich Antrag auf Beratungshilfe gestellt wird, wird sehr oft auf § 6 BerHG seitens des Rechtspflegers hingewiesen, nämlich die Angelegenheit genau zu bezeichnen. Auch dieses Problem wird sich sehr wahrscheinlich bald lösen, soll nach dem Entwurf der Ratsuchende verpflichtet sein, vor der Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung den Antrag zu stellen. Die Satzungsversammlung hat am 14.11.2008 den Entwurf eines § 16a BORA vorgelegt. Danach besteht die Verpflichtung zur Beratung nur, wenn der Berechtigungsschein vor Beratung vorgelegt wird und die Zahlung der Beratungshilfegebühr erfolgt ist. Weiterhin soll der Rechtsanwalt dann nicht mehr verpflichtet sein, einen Beratungshilfeantrag zu stellen. Wenn der Anwalt dann aber gleichwohl beraten hat, gibt es danach keine Beratungshilfe mehr. Dies weist ein Dilemma aus: Wie ist bei drohendem Fristablauf zu verfahren? Wie sieht es eventuell mit haftungsrechtlichen Problemen aus? Gilt dann der Grundsatz: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold"?
Man kann zu der beschlossenen Regelung des § 16a BORA stehen, wie man will. Einen Vorteil wird sie bringen: Klarheit. Wer diese Klarheit nicht wünscht und nicht konsequent durchführt, wird die dann auftauchenden Probleme eben zu bewältigen wissen müssen.
Alles wird gut? Nein: Alles wird anders!
Jörg Kleinwegener, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Detmold