Der frühere Rechtszustand ging auf Grund des anders verstandenen § 1578 i.V.m. § 1582 BGB von den Prinzipien der Priorität der Erstehe und der Beibehaltung der Lebensstandardgarantie aus. Der danach in der Regel gegebene Vorrang des früheren Ehegatten setzte sich daher uneingeschränkt auch auf der Bedarfsebene durch mit der Folge, dass die Unterhaltspflicht des Unterhaltsschuldners gegenüber seinem neuen Ehegatten völlig hinweggedacht wurde. Damit wurde aber letztlich auch der Grundsatz der Halbteilung zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Erstehegatten negiert, weil der Unterhaltspflichtige ohne Rücksicht auf seine weiteren Unterhaltslasten vom Erstehegatten auf vollen eheangemessenen Unterhalt in Anspruch genommen werden konnte und eine Grenze erst bei seinem Selbstbehalt in der Stufe der Leistungsfähigkeit einsetzte. Ein ausgewogenes Aufteilungsverhältnis zwischen Unterhaltspflichtigem und Erstehegatten nach dem Grundgedanken, dass jedem von ihnen ein gleicher Anteil an dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen gebühren sollte, lag damit de facto nicht vor (vgl. Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 4 Rn 390). Mit seiner neueren Rechtsprechung ist der BGH Schritt für Schritt von den Prinzipien der Priorität und der Lebensstandardgarantie abgerückt. Der Gesetzgeber hat sie mit der Unterhaltsrechtsreform zum 1. Januar 2008 und den neuen Rangvorschriften vollends beseitigt.
Die Bemessung der jeweiligen Unterhaltsbedarfsbeträge der Berechtigten geschieht daher in der ersten Stufe – der Bedarfsbemessung – ohne Rücksicht auf die Rangverhältnisse nach § 1609 BGB. Denn diese wirken sich nach der Neufassung durch das Unterhaltsrechtsreformgesetz nur mehr in der zweiten Stufe der Leistungsfähigkeit aus, wenn nach Ermittlung der einzelnen Bedarfsbeträge festgestellt wird, dass der Unterhaltspflichtige nicht alle Unterhaltsansprüche in voller Höhe erfüllen kann, also ein Mangelfall vorliegt (§§ 1609, 1581 BGB; Senatsurteile vom 30. Juli 2008 – XII ZR 177/06 – FamRZ 2008, 1911 und vom 17. Dezember 2008 – XII ZR 9/07 – a.a.O.; vgl. auch Wendl/Gerhardt a.a.O., § 4 Rn 306).
Ist daher der Unterhaltspflichtige zugleich einem geschiedenen und einem neuen Ehegatten unterhaltspflichtig, ist der Rang dieser Ehegatten untereinander zunächst gleichgültig. Vielmehr ist vorab festzustellen, welcher Bedarf auf jeden entfällt. Dieser kann aber nicht einzeln nach den jeweiligen ehelichen Lebensverhältnissen der beiden Ehen ermittelt werden, weil mit dem Hinzutritt eines neuen Unterhaltsberechtigten automatisch das Einkommen des Unterhaltspflichtigen absinkt und ein solches Absinken auch im Verhältnis zum ersten Ehegatten zu berücksichtigen ist, es sei denn, der Unterhaltspflichtige hätte dies in unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Weise selbst herbeigeführt. Davon kann indes beim Eingehen einer neuen Ehe oder der Geburt von weiteren Kindern schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht die Rede sein (Art. 6 GG schützt nicht nur die Erstehe!).