Das erste Urteil des BGH zum neuen § 1570 BGB ist für die Praxis von großer Wichtigkeit. Die Entscheidung betrifft die Erwerbsobliegenheit einer geschiedenen Studienrätin, die ein sechsjähriges Grundschulkind betreut, sowie die Befristung und Begrenzung des Kindesbetreuungsunterhalts.
1. Einzelfall statt Altersphasen
Im Urt. v. 16.7.2008 hatte der BGH angedeutet, dass für den Billigkeitsunterhalt gem. § 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB Fallgruppen denkbar seien, die u.a. das Alter des Kindes berücksichtigen. Dies wurde vielfach als Aufforderung zur Entwicklung eines neuen Altersphasenmodells verstanden. Ein Missverständnis, erklärte der BGH nun und erteilte vereinzelten Versuchen der Oberlandesgerichte und der Literatur in diese Richtung eine klare Absage.
Dem neuen § 1570 BGB ist eine gesetzgeberische Entscheidung zugunsten von Fremdbetreuung und Erwerbstätigkeit zu entnehmen. Das Unbehagen der Richter gegenüber dem neuen Recht ist vielen Entscheidungen anzumerken. Die Probleme alleinerziehender Eltern, die die familienunfreundliche Arbeitswelt sowie Haushalt und Kindesbetreuung unter "einen Hut" bringen müssen, waren dem Gesetzgeber jedoch bekannt. Trotzdem hat er sich nur für einen Basisunterhalt bis zum 3. Lebensjahr für eheliche und nichteheliche Kinder entschieden. Das zu schematische Altersphasenmodell sollte abgeschafft werden. Der weitergehende Billigkeitsunterhalt ist daher ein "Ausnahmeunterhalt", der eine atypische Fallgestaltung, z.B. den Mangel von Betreuungsmöglichkeiten, voraussetzt. Der gesetzliche "Normalfall" ist die Fremdbetreuung und vollzeitige Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nach Vollendung des dritten Lebensjahres eines Einzelkindes. Diesen gesetzgeberischen Willen hat der BGH nun konsequent durchzusetzen gesucht. Auch wenn nach Meinung der Vorinstanz, und anderer Gerichte, Grundschulkinder generell noch verstärkter Aufmerksamkeit bedürfen, rechtfertigt dies als solches keinen Billigkeitsunterhalt. Die Entscheidung des Kammergerichts kann, wie der BGH ausführt, in der Sache durchaus richtig sein, es haperte an einer einzelfallbezogenen Begründung. Es scheint jedoch, als verfolge der BGH auch in der Sache eine eher strenge Linie. Es bleibt zu hoffen, dass er in zukünftigen Entscheidungen bei der Abwägung der Umstände des Einzelfalls auf die Situation alleinerziehender Eltern mit Fingerspitzengefühl und, wenn nötig, mit Beweiserleichterungen reagieren wird.
Die betreuenden Eltern und ihre Anwälte müssen in Zukunft substantiiert und einzelfallbezogen vortragen, wie und warum eine Fremdbetreuung nicht möglich oder für die besonderen Bedürfnisse des Kindes nicht angemessen ist. Auch die Gerichte müssen, wollen sie ihre Entscheidungen berufungs- und revisionsfest machen, genauer erkennen lassen, auf welche Umstände des Einzelfalls sie ihre Entscheidung stützen. Nur eine vorsichtige Fallgruppenbildung kann vorgenommen werden. Hierbei sollte weniger das Alter des Kindes als seine persönlichkeits- und entwicklungsabhängigen Bedürfnisse nach persönlicher Betreuung eine Rolle spielen. Es kann auf Krankheit, Behinderung, Entwicklungsstörungen und psychische Probleme abgestellt werden. Eine weitere Rolle spielen die Art der Berufstätigkeit und die tatsächlich vorhandene Fremdbetreuung sowie hinsichtlich elternbezogener Gründe die Frage, ob mehrere Kinder aus einer Verbindung betreut werden.
Problematisch ist, dass dieser einzelfallbezogene Ansatz zu Rechtsunsicherheit führen muss. Prognosen zum Ausgang eines Verfahrens wird der beratende Anwalt nur schwer abgeben können. Gutachter und Atteste werden an Bedeutung gewinnen. Einerseits werden die Parteien zunehmend Privatgutachten von Kinderärzten und Kinderpsychologen vorlegen. Andererseits werden Richter selbst bei Experten um Rat fragen. Dem Willen des Gesetzgebers entspricht der einzelfallbezogene Ansatz allerdings zweifellos.
Ob Kinder im Interesse der Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Dritten betreut werden sollten oder von unterhaltsberechtigten Eltern, ist eine gesellschaftliche Frage, für die der demokratisch legitimierte Gesetzgeber zuständig ist und nicht die Gerichte. Unabhängig davon, ob man das neue Gesetz für richtig hält – wofür angesichts der sich wandelnden gesellschaftlichen Realitäten einiges spricht –, gebührt dem Gehorsam des BGH vor dem gesetzgeberischen Willen Respekt. Zu hoffen bleibt, dass die Entscheidung den politischen Druck erhöhen wird, Kinderbetreuungsangebote von hoher Qualität anzubieten. Trotzdem bleibt Kinderbetreuung auch eine persönliche Entscheidung. Ehegatten, die eine längerfristige Betreuung auch nach der Scheidung wünschen, ist zu raten, eine entsprechend umfangreichere Unterhaltsregelung bereits in einem Ehevertrag festzulegen.
2. Befristung und Begrenzung
Die Entscheidung des BGH gegen eine Befristung des Unterhalts gem. § 1570 BGB stellt keine Überraschung dar. Außerdem macht der BGH überzeugende Ausführungen zu § 1570 BGB und § 1578b B...