Barleistungspflicht der Eltern
Wie alle Verwandten, können auch Eltern gegenüber ihren Kindern gemäß § 1603 Abs. 1 BGB den angemessenen Selbstbehalt beanspruchen. Jedoch können sie diesen gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern nicht schlechthin verteidigen. Sie müssen vielmehr alle verfügbaren Mittel für sich und diese gleichmäßig verwenden (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB). Dies wird allgemein so verstanden, dass sie grundsätzlich bis zum notwendigen Selbstbehalt haften, wobei ihr Existenzminimum stets gewahrt sein muss. Den minderjährigen Kindern sind unverheiratete volljährige Kinder bis zum 21. Lebensjahr gleichgestellt, solange sie im elterlichen Haushalt leben und sich in allgemeiner Schulausbildung befinden (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB).
Nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB dürfen Eltern jedoch den angemessenen Selbstbehalt wahren, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist oder sich das Kind aus seinem Vermögensstamm unterhalten kann. In diesen Fällen ist der Grundsatz des § 1603 Abs. 1 BGB wieder anwendbar. Die Unterhaltspflicht des Elternteils entfällt nicht insgesamt, sondern nur insoweit, als er nicht in der Lage ist, den Unterhalt zu leisten, ohne seinen angemessenen Unterhalt zu gefährden.
Ein anderer Verwandter sind etwa Großeltern und vor ihnen der andere Elternteil, auch wenn er das minderjährige Kind betreut und dadurch gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB in der Regel seine Unterhaltspflicht voll erfüllt und deswegen grundsätzlich nicht barunterhaltspflichtig ist. Diese Regel gilt auch, wenn sich die Einkommensverhältnisse beider Eltern im mittleren Bereich halten und die Einkünfte des betreuenden Elternteils nicht höher sind als die des anderen.
Hat aber der grundsätzlich barunterhaltspflichtige Elternteil wesentlich geringere Einkünfte, so dass seine Inanspruchnahme zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen würde, ist die Grundregel des § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB heranzuziehen, wonach gleich nahe Verwandte anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen für den Unterhalt des (minderjährigen oder volljährigen) Kindes aufkommen müssen. Dabei ist indes auch zu berücksichtigen, wenn ein Elternteil einen Teil seiner Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes erfüllt. Von den beiderseitigen Nettoeinkommen sind die jeweiligen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, insbesondere der nach § 1609 Nr. 1 BGB vorrangige Unterhalt für ein minderjähriges Kind, und grundsätzlich der angemessene Selbstbehalt abzusetzen.
Nach der Rechtsprechung des BGH darf vom Einkommen des Betreuenden nicht ein rechnerischer Wert der Betreuungsleistungen, etwa in derselben Höhe wie der geschuldete Barunterhalt, abgezogen oder der Selbstbehalt wesentlich erhöht werden. Eine Berücksichtigung eines Betreuungsbonus ist nur zulässig, wenn sich die Betreuung zwar ohne konkreten Kostenaufwand, aber nur unter erheblichen Erschwernissen bewerkstelligen lässt oder soweit die Erwerbstätigkeit neben der Betreuung überobligationsmäßig ist und es deswegen nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB (vgl. auch § 1577 Abs. 2 BGB) unbillig erscheint, das Einkommen voll anzurechnen.
Zur Ermittlung des vom Betreuenden aufzubringenden Anteils am Barunterhalt kann dieser zwar in einem ersten rechnerischen Schritt im Verhältnis der Einkünfte der Eltern verteilt werden. Die sich so ergebende Quote ist jedoch zugunsten des betreuenden Elternteils wertend zu verändern. Dies gilt namentlich bei außerordentlichen Betreuungsleistungen für ein behindertes Kind. Letztlich geht es darum, die gesamte Unterhaltslast (Bar- und Betreuungsunterhalt) auf beide Eltern gerecht zu verteilten.
Unter diesem Gesichtpunkt erscheint die in einer Entscheidung zum Unterhalt des volljährigen, im Sinne von § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB privilegierten Kindes nebenbei geäußerte Ansicht des BGH problematisch, wonach zur Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern der notwendige Selbstbehalt nur anzusetzen sei, wenn beide Elternteile nicht in der Lage seien, den Mindestunterhalt des minderjährigen Kindes aufzubringen. Dies führt zu einem unbilligen Ergebnis, wenn dem betreuenden Elternteil bei Beteiligung am Barunterhalt kaum mehr als dem anderen Elternteil verbleibt. Deswegen sollte Scholz gefolgt werden, dass sich der Betreuende nur dann am Barunterhalt beteiligen muss, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich günstiger sind als die des anderen Elternteils, auch wenn sein angemessener Selbstbehalt nicht gefährdet wäre.