Dr. Christine Hohmann-Dennhardt
Nicht allein die Entscheidung des EGMR, sondern vor allem diese inzwischen gewonnenen Erkenntnisse haben das BVerfG unlängst dazu bewegt, sich erneut mit der Frage der elterlichen Sorge von Vätern nichtehelicher Kinder auseinanderzusetzen. Denn die seit dem Jahre 2004 erhobenen Zahlen belegen, dass zwar für ca. die Hälfte der nichtehelich geborenen Kinder inzwischen eine gemeinsame Sorgetragung durch deren Eltern begründet wird. Dort aber, wo dies nicht erfolgt, haben Umfragen bei Jugendämtern und Rechtsanwälten, die in Familiensachen tätig sind, sowie Befragungen von Müttern im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung zu dem Ergebnis geführt, dass Mütter nicht nur aus Kindeswohlgründen, sondern oft auch aus Eigeninteresse ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge nicht erteilen, weil sie allein entscheiden oder mit dem Vater nichts zu tun haben wollen. Leben wiederum die Eltern zusammen und sorgen im Tatsächlichen gemeinsam für ihr Kind, sehen sie oftmals keine Notwendigkeit, die gemeinsame Sorge auch rechtlich zu begründen, sodass die rechtliche Absicherung der Sorgetragung erst bei Trennung des Paares Bedeutung gewinnt. Nach diesen Erhebungen kann also weder davon ausgegangen werden, dass in aller Regel ein Konflikt zwischen den Eltern der Grund für das Nichtzustandekommen einer gemeinsamen Sorge ist, noch erweist sich die Annahme des Gesetzgebers als tragfähig, es seien maßgeblich Kindeswohlgesichtspunkte, die Mütter dazu bewegen, einer gemeinsamen Sorgetragung nicht zuzustimmen. Zwar mag auch der Wunsch einer Mutter, allein für das Kind Entscheidungen treffen zu können, aus einem elterlichen Konflikt herrühren. Doch worüber dieser besteht, wie groß er ist, und vor allem, wie er sich auf das Kind und sein Wohl auswirken kann, kann lediglich gemutmaßt und nur durch Klärung im Einzelfall festgestellt werden.
a) Die gemeinsame Sorge der Eltern
Damit aber erweist sich der generelle Ausschluss des Vaters von der Sorge für sein Kind als nicht erforderlicher, jedenfalls aber als unverhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht des Vaters und verletzt Art. 6 Abs. 2 GG. Denn die elterliche Sorge ist essentieller Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Rechts der Eltern auf Pflege und Erziehung des eigenen Kindes. Das Elternrecht gebietet zwar nicht, so das BVerfG, Vätern nichtehelicher Kinder generell mit wirksamer Anerkennung ihrer Vaterschaft kraft Gesetzes das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam mit der Mutter zuzuerkennen. Eine gesetzliche Regelung, die eine solche Rechtsfolge des Vaterschaftsanerkenntnisses vorsieht, wäre aber mit der Verfassung vereinbar, sofern sie mit der Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung verbunden wird, ob die gesetzlich begründete gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl im Einzelfall tatsächlich entspricht. Wird die Sorgetragung allerdings einem Elternteil generell vorenthalten, ohne dass dies von Kindeswohlgründen getragen ist, liegt darin eine wesentliche Beeinträchtigung des Elternrechts. Dies bewirkt § 1626a BGB, indem die Norm den Zugang zur Sorgetragung von Vätern nichtehelicher Kinder vom Willen der Mütter abhängig macht und ihn bei deren Zustimmungsverweigerung verschließt, ohne dass feststeht, ob eine gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl zu- oder abträglich ist. Denn es trifft nicht zu, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in der Regel aus Gründen des Kindeswohls erfolgt. Bei der Sorgerechtszuweisung hat aber das Kindeswohl maßgebliche Richtschnur zu sein und nicht der Wille eines Elternteils. Dass Vätern bei Weigerung der Mutter, einer gemeinsamen Sorge zuzustimmen, keine Möglichkeit eingeräumt ist, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob eine gemeinsame Sorgetragung in ihrem Einzelfall nicht doch aus Kindeswohlgründen angezeigt sein könnte, greift deshalb in ungerechtfertigter Weise in das Elternrecht des Vaters ein und ist mit Art. 6 Abs. 2 GG nicht vereinbar. In Konsequenz seines schon in der Entscheidung aus dem Jahre 2003 enthaltenen Hinweises auf die Folge einer Nichtbestätigung der gesetzgeberischen Annahmen hat also nun auch das BVerfG die Regelung zur Begründung einer gemeinsamen Sorge als verfassungswidrig beanstandet.
Es hat sich aber darüber hinaus auch die Auffassung des EGMR zu Eigen gemacht und diesem ausdrücklich beigepflichtet, dass der deutsche Gesetzgeber bei seiner Gesamtkonzeption der Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder inkonsequent vorgegangen ist. Es sei, so nun auch das BVerfG, kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber zwar bei der Beendigung einer gemeinsamen elterlichen Sorge, nicht aber bei deren Begründung eine gerichtliche Prüfung zugelassen hat, ob eine gemeinsame Sorgetragung trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern darüber im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entspricht. Dass es bei de...