Dr. Christine Hohmann-Dennhardt
Einstellungswandel verändert den Blick auf das Recht, sensibilisiert und lässt Grundrechtspositionen wie subjektive Rechte erstarken. Das gilt auch für die Rechte von Vätern wie Müttern nichtehelicher Kinder. Wo früher rechtliche Beziehungslosigkeit herrschte, kann sich heute jeder Elternteil gleichermaßen auf grund- und menschenrechtlich verbürgte und gesetzlich ausdifferenzierte Rechte in Bezug auf das Kind stützen und diese notfalls auch einklagen, um sie ausüben zu können. Dies ist eine positive Rechtsentwicklung, bei der sich der Blick nicht mehr vor allem auf den familiären Verband, sondern auf die einzelnen Individuen in der Familie richtet, deren Interessen und Bedürfnissen Rechnung getragen werden soll. Doch muss gerade bei der Ausgestaltung von Elternrechten Berücksichtigung finden, dass es hier um subjektive Rechte geht, die eine andere Person, das Kind, betreffen, das selbst Grundrechtsträger ist und als Rechtssubjekt Anspruch darauf hat, dass sich die Ausübung der elterlichen Rechte an seinem Wohl ausrichtet. Bei so mancher Auseinandersetzung um die elterliche Sorge scheint dies vor lauter Konzentration darauf, den widerstreitenden Rechten der Eltern jeweils hinreichend Rechnung zu tragen, aus dem Auge verloren zu gehen. Und des Öfteren hat man den Eindruck, das Elternrecht wird als Besitzrecht am Kind missverstanden. Da will man das Kind dem anderen Elternteil vorenthalten oder missgönnt es ihm, will es nicht mit ihm teilen, so als wäre das Kind ein Ding. Da wird ein Kampf ums Kind geführt, bei dem man den anderen Elternteil schlagen will und bei dem obsiegt, wer das Kind "nach Haus tragen" kann – ohne Rücksicht auf den Schaden, den das Kind dabei nimmt. Da wird das Recht missbraucht, um dem anderen Elternteil eins auszuwischen.
Vor solchen Auseinandersetzungen kann das Recht betroffene Kinder nur schwerlich bewahren. Es kann aber dem Kind zur Seite stehen und dafür sorgen, dass sein Wohl dabei nicht unter die Räder gerät und maßgeblich dafür ist, wem seine Sorge anvertraut wird. So sehr es das Recht der Eltern ist, notfalls gerichtlich entscheiden zu lassen, wer von ihnen dem Kind als Erzieher und Behüter wohl am besten tut, so sehr hat ein Kind das Recht auf Rücksichtnahme seiner Bedürfnisse nach stabilen emotionalen Beziehungen, kontinuierlichen sozialen Bezügen und einer klaren, nicht ständig wechselnden und widersprüchlichen Orientierungsmöglichkeit, die ihm Vertrauen gibt und Selbstvertrauen schafft. Immer wieder aufs Neue geführte und die ganze Kindheit beherrschende Rechtsstreite der Eltern um die Sorge für das Kind malträtieren dessen Seele, bringen das Kind nicht zur Ruh und schaden seiner Entwicklung. Dem sollte rechtlich ein Riegel vorgeschoben werden und Änderungen hinsichtlich der Personensorge für das Kind nach einer erstmaligen gerichtlichen Überprüfung nur zugelassen werden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist oder es dem Willen des Kindes in seinem wohlverstandenen Sinne entspricht, zum anderen Elternteil zu wechseln. Das würde den Rechten beider Eltern gerecht werden und das Kind vor einem gerichtlich ausgetragenen Dauerkonflikt bewahren – zu seinem Wohl.