Jochem Schausten
Kennen Sie diese Situation? Gerade haben Sie einen rechtlich und tatsächlich schwierigen Fall gewonnen und rechnen mit einem angemessenen Lob Ihres Mandanten – doch dessen Reaktion ist eine ganz andere. Ihr Mandant stellt schlicht und ergreifend fest, dass es ja wohl das Mindeste gewesen wäre, dass er endlich sein Recht bekommen habe.
Oder umgekehrt: Gerade hat das Gericht einen Fall zugunsten Ihres Mandanten entschieden, der so einfach und klar war, dass Sie ihn ohne Risiko einem Referendar hätten anvertrauen können. Und die Reaktion Ihres Mandanten ist eine überschwängliche, nicht enden wollende Lobpreisung Ihrer rechtlichen Kenntnisse und Erfahrung.
Beide Reaktionen zeigen eines: Der Großteil unserer Mandanten ist nicht annähernd in der Lage, die juristische Qualität der Dienstleistung "anwaltliche Beratung und Vertretung" angemessen zu beurteilen.
Für die Wertschätzung unserer anwaltlichen Arbeit durch die Mandanten ist die Qualität der Arbeitsergebnisse nur zu einem erstaunlich geringen Teil ausschlaggebend. Auch wenn es sich schon fast um eine Binsenweisheit handelt, die in nahezu jedem Ratgeber zum Thema Dienstleistungsmarketing zu finden ist: Viel wichtiger scheint die Vermittlung von fachlicher und sozialer Kompetenz gepaart mit Organisationsvermögen zu sein. Wer diese Erkenntnisse nicht verinnerlicht, läuft Gefahr, trotz bester juristischer Leistungen nicht die gebührende Anerkennung zu finden.
Die Konsequenz aus Marketingsicht ist: Wir kommen nicht umhin, uns mehr damit zu beschäftigen, unsere Person als moderner Dienstleister und unsere Leistung zu verkaufen. Nun werden einige einwenden, dass anwaltliche Dienstleistung sich über die Qualität verkauft und Qualität sich schon durchsetzen wird. Das ist leider ein Irrtum – wie uns die Erkenntnisse der Marketingexperten bestätigen, reicht dies heute eben nicht mehr aus.
Zuverlässigkeit, Sorgfalt, Erreichbarkeit, Verständlichkeit, Freundlichkeit, Reaktionszeit und Kostentransparenz sind neben dem Eindruck von Kompetenz und Erfahrung die wichtigsten Kriterien für die Beurteilung der Qualität der anwaltlichen Dienstleistung durch die Mandanten. Kein Mandant ist erfreut, wenn zugesagte Schriftsätze nicht rechtzeitig fertiggestellt werden; wenn wegen mangelnder Sorgfalt Fehler in den Schriftsätzen auftauchen; wenn der Anwalt oder die Anwältin sich hinter juristischen Floskeln versteckt, die der Mandant nicht versteht, oder wenn der Eindruck entsteht, keine Zeit für die Angelegenheit des Mandanten zu haben. Der hohe Zeit- und Termindruck in der täglichen Arbeit lässt uns allzu oft vergessen, dass es gerade diese Softskills sind, die die Wertschätzung der anwaltlichen Dienstleistung durch die Mandanten positiv beeinflussen.
Ein berufserfahrener Kollege sagte mir einmal: Wer zu viel arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich die Wahrheit dieses Spruches erkannt habe. Wir sollten uns trotz des alltäglichen Drucks die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was wir tun und vor allem auch wie wir es tun. So kann es uns gelingen, den steigenden Ansprüchen der Mandanten an die anwaltliche Dienstleistung zu genügen, bestenfalls sie sogar zu übertreffen.
Sich neben der täglichen juristischen Arbeit auch noch mit organisatorischen Fragen auseinanderzusetzen, um Zuverlässigkeit, Sorgfalt, Erreichbarkeit, Verständlichkeit, Freundlichkeit und Reaktionszeit zu optimieren, sollte selbstverständlich sein. Seminare und Vorträge zu solchen Themenkomplexen können sehr hilfreich sein, auch wenn sie Zeit und Geld kosten und nicht als Fortbildung im Sinne der Fachanwaltsordnung anerkannt werden – worüber bei Gelegenheit auch mal mit dem Gesetzgeber und den Rechtsanwaltskammern zu reden wäre …
Jochem Schausten