BGB § 1610 Abs. 2 § 1606 Abs. 3 § 1603 Abs. 2
Leitsatz
Es kann offenbleiben, ob das freiwillige soziale Jahr stets schon deshalb als angemessener Ausbildungsabschnitt angesehen werden kann, weil es geeignet ist, die Bildungsfähigkeit Jugendlicher zu fördern und ihre Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach Abschluss ihrer Ausbildung zu verbessern. Jedenfalls wenn das Kind während des freiwilligen sozialen Jahres berufliche Erfahrungen sammelt, von denen es im Rahmen der späteren Ausbildung profitieren kann, und wenn das freiwillige soziale Jahr auch dazu dient, dem Kind Klarheit zu verschaffen, ob es sich für den in Aussicht genommenen Beruf (hier einer Operationsschwester) überhaupt eignet, kommt ein Ausbildungsunterhaltsanspruch grundsätzlich in Betracht.
(Leitsätze d. Red.)
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2019 – 3 WF 140/18 (AG Duisburg-Hamborn)
Anmerkung
Mitgeteilt von Burkhard Himmerich, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht und Steuerrecht, Duisburg
2 Anmerkung
1. Ausgangslage
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 1.3.2019 befasst sich mit der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe ein Kind während eines freiwilligen sozialen Jahres einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern hat.
2. Inhalt der Entscheidung
Die am 19.9.2000 geborene Antragsgegnerin ist aus der Ehe des Antragstellers und der Mutter der Antragsgegnerin hervorgegangen. Durch eine Urkunde des Jugendamtes vom 8.2.2012 hatte sich der Antragsteller verpflichtet, für die Antragsgegnerin Mindestkindesunterhalt entsprechend der jeweiligen Altersstufe des Kindes abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen.
Nach Abschluss ihrer schulischen Ausbildung absolvierte die Antragsgegnerin seit August 2017 ein freiwilliges soziales Jahr mit der Einsatzstelle beim Evangelischen Klinikum Niederrhein gGmbH in Duisburg. Sie bezog ein Taschengeld i.H.v. 110 EUR für August 2017 und i.H.v. 330 EUR ab September 2017 zuzüglich einer monatlichen Verpflegungspauschale von 50 EUR. Seit September 2018 befindet sich die Antragsgegnerin in eine Ausbildung zur Operationsschwester bei dem evangelischen Klinikum Niederrhein gGmbH.
Der Antragsteller begehrt eine Abänderung der bestehenden Jugendamtsurkunde dahingehend, dass ab August 2017 die Unterhaltsverpflichtung auf einen Betrag i.H.v. 184 EUR begrenzt wird, ab dem Zeitraum September 2017 bis Dezember 2017 auf 174 EUR und ab Januar 2018 auf 180 EUR. Ferner reklamiert er eine Überzahlung i.H.v. 150 EUR. Für die Zeit ab September 2018 begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin entfallen sei. Der Antragsteller ist der Auffassung, die von der Antragsgegnerin für die Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres erlangte Vergütung müsse von dem nach dem Unterhaltstitel geschuldeten Mindestunterhalt zur Hälfte in Abzug gebracht werden.
Die Antragsgegnerin hat den Antrag des Antragstellers, dass ihr Unterhaltsanspruch ab September 2018 entfalle, anerkannt. Im Übrigen hat sie Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen das Abänderungsbegehren des Antragstellers beantragt. Das Amtsgericht hat diesen Verfahrenskostenhilfeantrag durch Beschluss vom 3.8.2018 mit der Begründung abgelehnt, es bestehe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverteidigung. Während des freiwilligen sozialen Jahres sei die Antragsgegnerin in der Lage gewesen, ihren Unterhalt selbst abzudecken. Nicht mehr schulpflichtige Kinder seien gehalten, sich einer Ausbildung zu unterziehen oder durch eigene Erwerbstätigkeit in den Grenzen des Jugendarbeitsschutzgesetzes ihren Unterhalt sicherzustellen. Das freiwillige soziale Jahr sei nur dann Teil der Ausbildung, wenn es als Voraussetzung für eine andere Ausbildung gefordert werde. Dies sei bei dem von der Antragsgegnerin angestrebten Beruf der Operationsschwester nicht der Fall. Allein die bessere Aussicht auf einen Ausbildungsplatz rechtfertige nicht den Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit. Die Antragsgegnerin hätte zur Überbrückung bis zum Beginn der Ausbildung 40 Wochenstunden unter Berücksichtigung der Grenzen des Jugendarbeitsschutzgesetzes arbeiten können.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 25.9.2018 beanstandet die Antragsgegnerin, das Amtsgericht habe ihre individuelle Lebensplanung sowie ihre Gesamtsituation nicht hinreichend berücksichtigt. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schulausbildung sei sie noch unter 18 Jahre alt gewesen. Die von ihr gewählte Ausbildung zur operationstechnischen Assistentin habe sie erst nach Erreichen des 18. Lebensjahres beginnen können. Nach entsprechender Beratung durch die Agentur für Arbeit sowie der späteren Ausbildungsstelle sei sie davon ausgegangen, dass sich das freiwillige soziale Jahr im Hinblick auf die Ausbildungsmöglichkeiten positiv auswirken würde. Aus diesem Grunde habe sie unmittelbar nach Schulabschluss die Vereinbarung mit dem Deutschen Roten Kreuz für die Ableistung des sozialen Jahres unterschrieben. Durch einen positiven Eindruck beim Ableisten des freiwilligen sozialen Jahres habe sie ihre Chancen auf eine entspr...