a) Stellenwert des Willens
Der Wille des Kindes ist in die Bestimmung des Kindeswohls mit einzubeziehen. Im Grundsatz hat das Familiengericht das Kind persönlich anzuhören, da nur so eine Umgangsregelung getroffen werden kann, die dem Kindeswohl dient. Das Familiengericht hat gem. § 26 FamFG von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Gem. § 159 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Gericht das Kind persönlich anzuhören, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ein jüngeres Kind ist gem. § 159 Abs. 2 Alt. 1 FamFG persönlich anzuhören, wenn die Neigung, Bindung oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Durch den Wortlaut des § 159 Abs. 2 Alt.1 FamFG wird der erhöhte Stellenwert des Willens des Kindes für die Bestimmung des Kindeswohls deutlich. Der zugrunde gelegte Wert des Willens des Kindes wurde zudem durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt. Dieser gewichtige Aspekt wiegt umso schwerer, als das Kind durch den Willen zur Begründung des Wechselmodells seinen bisherigen beständigen Lebensmittelpunkt aufgibt. Demnach tritt der Kindeswille neben andere maßgebliche Bewertungskriterien des Kindeswohls und hat neben der Erziehungseignung der Eltern, der Bindung des Kindes und den Prinzipien der Förderung und Kontinuität erheblichen Einfluss auf die Anordnung des Wechselmodells.
b) Alter des Kindes
Bezüglich der Gewichtung des Willens des Kindes ist jedoch in Anbetracht des konkreten Alters zu differenzieren.
aa) Kleinkind
Der Stellenwert des Willens des Kleinkindes wird in der Regel gering eingeschätzt. Dies kann in der Praxis dazu führen, dass auf eine Anhörung des Kindes – entgegen der Wertung des § 159 Abs. 2 FamFG – verzichtet wird. Der Verzicht stellt jedoch einen erheblichen Verfahrensverstoß dar. Im Grundsatz erscheint der geringe Stellenwert nachvollziehbar, da eine Beeinflussung des Kindes durch materielle Güter oder den Kauf eines Haustiers leicht möglich ist. Der Wille des Kleinkindes wird dabei vor allem durch Zuneigung, Abneigung oder die Bindung zu den Elternteilen beeinflusst. Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass eine nach außen hin erklärte erhebliche Aversion gegen einen Elternteil dem Kindeswohl entgegensteht und dem Willen des Kindes daher einen gewichtigen Stellenwert einräumt.
bb) Kind zunehmenden Alters
Mit zunehmendem Alter und der daraus erwachsenden Einsichtsfähigkeit verdeutlicht der Wille des Kindes einerseits seine Bindung zu den Elternteilen. Dies führt dazu, dass der Wille als maßgeblicher Anknüpfungspunkt qualifiziert wird. Diese auf Gefühlen basierende Bindung ist dabei durch eine objektive Betrachtung nicht oder nur zu einem geringen Teil beurteilbar und kann überwiegend nur anhand des Willens des Kindes Ausdruck finden.
Andererseits stellt der Wille eines älteren Kindes einen Akt der Selbstbestimmung dar. Mit zunehmender Reife müsse dieser Akt der Selbstbestimmung unter Wahrung der Individualität als Grundrechtsträger und unter Betrachtung der Auswirkungen auf das künftige Leben des Kindes einen erhöhten Einfluss auf die Bestimmung des Kindeswohls haben. Dieser Aspekt tritt noch stärker hervor, wenn beide Elternteile über eine annähernd gleiche Erziehungseignung verfügen.
cc) Einzelfallentscheidung
Die Bestimmung des Stellenwerts des Willens kann jedoch nicht pauschal am konkreten Alter des Kindes festgemacht werden. Es bedarf vielmehr einer Einzelfallentscheidung, welche die konkrete Einsichtsfähigkeit und Reife des Kindes als Anknüpfungspunkt zugrunde legt. Von der Literatur wird als Richtwert zur Beachtung des Selbstbestimmungsrechts ein Alter von 12 Jahren vorgegeben. Dies erscheint im Grundsatz nachvollziehbar. Wohingegen im Einzelfall – wie vom BVerfG zutreffend festgestellt wurde – auch der Wille eines überdurchschnittlich entwickelten 11-jährigen Kindes erheblichen Einfluss auf die Bestimmung des Kindeswohls hat. Es lässt sich daher feststellen, dass das Alter des Kindes und die damit verbundene Reife für die Wertung des Kindeswillens als Kriterium des Kindeswohls erheblichen Einfluss hat und immer im konkreten Einzelfall durch das Familiengericht gewertet werden muss.
c) Kein Wechselmodell entgegen dem Willen der Kinder
Der Beschluss des OLG Frankfurt vom 18.1.2018 (Az. 147418) dürfte daher zunächst überraschen. Das Familiengericht hat die Beschwerde gem. §§ 58 ff. FamFG des Vaters, welche die hilfsweise Anordnung des Wechselmodells umfasste, nicht an das erstinstanzliche Gericht zurückgewiesen. Diese Entscheidung ersch...