Einführung
Im Beschluss des BGH vom 1.2.2017 – XII ZB 601/15 wurde das Wechselmodell entgegen dem Willen eines Beteiligten als Aufenthaltsmodell bestimmt. Das OLG Frankfurt hat zudem das Wechselmodell entgegen dem Willen der Kinder des Klägers nicht angeordnet. Dies wirft die Frage auf, ob der Wille der Beteiligten am Rechtstreit als ein maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Betreuungsmodells dient und ob das Wechselmodell – trotz fehlender gesetzlicher Regelung – als durchaus praxisrelevantes "Regelmodell" neben das Residenzmodell tritt. Das Wechselmodell umfasst dabei – bei bestehender gemeinsamer Sorge – eine gleichrangige Betreuung des Kindes durch die Eltern. Beim Residenzmodell hält sich das Kind dahingegen überwiegend bei einem Elternteil auf. Das Kind begibt sich in gewissen Abständen auch in die Wohnung des anderen Elternteils. Die Frage nach der Bestimmung des "richtigen" Aufenthaltsmodells wird unter Betrachtung der steigenden Zahl der Alleinerziehenden in Deutschland zwischen 1996 und 2014 von 2,3 auf 2,7 Millionen für viele Eltern relevant. Die überwiegende Betreuung des Trennungskindes durch einen Elternteil ist in zwei Drittel der Fälle vorzufinden. Durch die stetige Abkehr vom Konstrukt der "Hausfrauen-Ehe" steigt auch zudem der Wunsch der Trennungseltern, trotz der Betreuung des Kindes berufstätig zu sein. Dem entsprechend sind gemeinsam betreuende Trennungseltern signifikant häufiger berufstätig. Infolgedessen stellt sich die Frage, inwieweit die Eigeninteressen der getrenntlebenden Eltern Einfluss auf die Anordnung des Wechselmodells haben. Gegenstand dieses Beitrages ist zunächst die Ermittlung des Wertes des Willens der am Verfahren beteiligten Personen bezüglich der Bestimmung des Aufenthaltsmodells in der vorausgegangenen und aktuellen Judikatur. Daraufhin folgt eine Betrachtung der Notwendigkeit der Schaffung von konkreten Regelungen für das Wechselmodell durch den Gesetzgeber.
I. Das Wechselmodell als Sonderfall
Das Wechselmodell findet trotz fehlender gesetzlicher Regelung in der Rechtsprechung Anwendung. Unter Betrachtung der Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches wird das Wechselmodell teilweise von der Rechtsprechung und Literatur als Ausfluss der elterlichen Sorge angesehen. Andererseits wird auch vertreten, dass das Wechselmodell eine Umgangsregelung darstellt.
1. Wechselmodell als Teil der elterlichen Sorge gem. § 1626 Abs. 1 BGB
Dies begründet sich dadurch, dass hierbei das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern als maßgeblicher Bezugspunkt angesehen wird. Gegen die Einordnung als Umgangsregelung wird angeführt, dass der berechtigte Elternteil durch den Umgang gem. § 1648 BGB bei Trennung der Eltern die Möglichkeit erhalten soll, durch persönlichen Kontakt einen Überblick über das körperliche und geistige Befinden des Kindes zu erhalten. Zudem soll dadurch einer Entfremdung entgegengewirkt werden, die verwandtschaftliche Beziehung gepflegt werden und das gegenseitige Liebesbedürfnis berücksichtigt werden. Sinn und Zweck des Umgangs sei dahingegen nicht, ein paritätisches Aufenthaltsmodell mit vergleichbarer Verantwortung und Zeitaufteilung bezüglich der getrenntlebenden Eltern zu schaffen.
2. Wechselmodell als Umgangsregelung
Entgegen der erstgenannten Ansicht wird – u.a. höchstrichterlich – vertreten, dass das Wechselmodell eine Umgangsregelung darstellt. Für diese Ansicht spricht zunächst, dass es keinerlei gesetzliche Vorschriften bezüglich der elterlichen Sorge gibt, welche den Hauptaufenthaltsort des Kindes zwingend bestimmen. Des Weiteren liegt keine gesetzliche Regelung vor, wodurch der Umfang und die Dauer des Umgangs konkret bestimmt werden. Infolgedessen ist es unter Betrachtung des Gesetzeswortlauts möglich, durch Bestimmung der Umgangszeiten der getrenntlebenden Eltern die Betreuung des Kindes paritätisch zu teilen. Auch die Gesetzessystematik des Sorge- und Umgangsrechts lässt auf keine Einschränkung bezüglich der hälftigen Teilung der Umgangszeiten schließen. Die Umgangsregelung, aus der das Wechselmodell resultiert, steht wie auch eine inhaltlich übereinstimmende Elternvereinbarung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht entgegen. Die gemeinsam sorgeberechtigen Elternteile üben dabei das Wechselmodell im Rahmen des ihnen zustehenden Sorgerechts aus.