1. Standortbestimmung: Art. 6 GG als Grundrecht und "Institutsgarantie"
Die, soweit ersichtlich, erste Entscheidung des BVerfG zu Art. 6 GG datiert vom 20.10.1954 und betraf die Verfassungsbeschwerde der Frau "Christine E.", die sich dagegen wandte, dass ihrem Ex-Ehemann gemäß § 1666 BGB a.F. das "Schulbestimmungsrecht" über ihre ehegemeinschaftliche Tochter als Pfleger übertragen worden war. Das BVerfG stellte klar, dass Art. 6 Abs. 2 GG – "neben seiner Bedeutung als Richtlinie" – jedenfalls zugleich ein Abwehrrecht gegen unzulässige Eingriffe des Staates in das elterliche Erziehungsrecht gewähre und insoweit auch die Gerichte als unmittelbar geltendes Recht binde. Nach Abwägung des Elternrechts mit dem "Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft" wurde die Verfassungsbeschwerde jedoch letztlich für unbegründet erklärt.
Art. 6 Abs. 1 GG und der dadurch garantierte Schutz von Ehe und Familie, sowohl als "klassisches Grundrecht" als auch als "Institutsgarantie" im Sinne einer "verbindlichen Wertentscheidung für den gesamten Bereich der Ehe und Familie", war Gegenstand der zweiten, vom 17.1.1957 datierenden Grundsatzentscheidung des BVerfG zu dieser Grundrechtsbestimmung, mit der die Schlechterstellung der Ehegatten durch die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer im Sinne des § 26 EStG a.F. für verfassungswidrig erklärt und folgender zukunftsweisender Leitsatz formuliert wurde: "Zur Gleichberechtigung der Frau gehört, dass sie die Möglichkeit hat, mit gleichen rechtlichen Chancen marktwirtschaftliches Einkommen zu erzielen wie jeder männliche Staatsbürger".
Der "Spanier"-Beschluss des BVerfG vom 4.5.1971 komplettiert den Aufbruch des Gerichts in seine Rechtsprechung zu Art. 6 GG: Die auch einem Ausländer durch Art. 6 Abs. 1 GG garantierte "Eheschließungsfreiheit" wird verletzt, wenn einem Spanier, der eine Deutsche heiraten will, deren frühere Ehe mit einem Deutschen durch ein deutsches Gericht geschieden worden ist, die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses verweigert wird, weil das spanische Recht diese Ehescheidung nicht anerkennt – seinerzeit als "Durchbruch der Grundrechte in Fällen mit Auslandsberührung" gewürdigt.
Hiervon ausgehend sollen im Folgenden weitere 60 Entscheidungen des BVerfG, thematisch und zeitlich geordnet, bis zum Berichtsjahr 2019 vorgestellt und in Zusammenhang gebracht werden.
2. Am Anfang steht der (gemeinsame) Name
Nachdem das BVerfG in seiner (säkularen) Entscheidung vom 18.12.1953 festgestellt hatte, dass der Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG geltendes Recht sei und dass gemäß Art. 117 GG alle entgegenstehenden Vorschriften auf dem Gebiet des Ehe- und Familienrechts mit Ablauf des 31.3.1953 außer Kraft getreten seien, hatte der Gesetzgeber u.a, den bis dahin geltenden § 1355 BGB im Rahmen des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 dahingehend geändert, dass nunmehr die Frau (zumindest) das Recht erhielt, ihren Mädchennamen dem Familiennamen anzufügen. Im Übrigen blieb es jedoch dabei, dass der Ehe- und Familienname der Name des Mannes war. Diese Regelung wurde erst gut 20 Jahre später, und zwar im Rahmen des (Ersten) Ehereformgesetzes von 1976, durch ein Wahlrecht der Ehegatten, ob der Geburtsname des Mannes oder derjenige der Frau der gemeinsame Familienname sein sollte, ersetzt, die entsprechende Rechtswohltat allerdings auf Ehen beschränkt, die nach dem 1.7.1976 geschlossen worden waren. Diese übergangslose Inkraftsetzung der Neuregelung ist vom BVerfG als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG beanstandet und in diesem Zusammenhang klargestellt worden, dass auch Art. 6 Abs. 1 GG nicht die "Aufrechterhaltung der Erkennbarkeit des Familienzusammenhangs" (im Sinne der "Generationen-Großfamilie") fordern würde, wie sie mit der Namensregelung nach § 1355 S. 1 BGB a.F. verbunden gewesen sei.
Ihre Fortsetzung hat diese Rechtsprechung mit dem Spruch des BVerfG vom 5.3.1991 gefunden, aufgrund dessen es ebenfalls für verfassungswidrig erklärt wurde, dass der Mannesname von Gesetzes wegen (§ 1355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.) jedenfalls dann Ehename wird, wenn die Ehegatten keinen ihrer Geburtsnamen zum Ehenamen bestimmen. Im Übrigen hat das Gericht dem Gesetzgeber jedoch anheimgestellt, bei der zu treffenden Neuregelung, die auch eine Überleitung für "Altfälle" zu enthalten habe, eine Entscheidung zugunsten des einheitlichen Familiennamens "mit geschlechtsn...