Der FamFG-Gesetzgeber hat für das Kindschaftsverfahren ein System von checks and balances etabliert und die Aktiv-Rollen auf mehrere Akteure verteilt. Dem gesetzgeberischen Willen entspricht es danach, dass

das Jugendamt seine sozial-pädagogische Fachlichkeit einbringt,
der Verfahrensbeistand (notfalls einseitig) die Interessen und den Willen des Kindes einbringt,
der Sachverständige dem Gericht zu dem diesem fehlenden Sachverstand verhilft,
Verfahrensbeistand und (in den Konstellationen, in denen es Beteiligter ist) Jugendamt kraft des ihnen verliehenen Beteiligtenstatus die Gestaltung des gerichtlichen (Ermittlungs-)Verfahrens mitkontrollieren,
Verfahrensbeistand und Jugendamt kraft des ihnen verliehenen Beschwerderechts die gerichtliche Entscheidung in der zweiten Instanz überprüfen lassen und durch eine sinnvolle und angemessene Beschwerdekultur bereits im erstinstanzlichen Verfahren in dieser spezifischen Hinsicht ernstgenommen werden,

Verfahrensbevollmächtigte/Rechtsanwälte und Richter dafür sorgen, dass Jugendamt, Verfahrensbeistand und Sachverständiger vom Beginn des Verfahrens an ihre vom Gesetzgeber vorgesehenen und vorgegebenen Rollen und Aufgaben

erstens vollständig ausfüllen und
zweitens nicht überschreiten.

Wenn alle Akteure dieses System von checks and balances leben, ist garantiert, dass der Richter den Fall für die Betroffenen erkennbar selbst und aus eigener Überzeugung entscheidet. Dass die genannten Akteure dafür Sorge tragen, ist erstens verfassungsrechtlich geboten und zweitens (als ein Beitrag) zur Wahrung des Vertrauens in den Rechtsstaat erforderlich. Damit das Verfahrensrecht in dieser Weise implementiert wird, bedarf es der Qualifizierung aller Akteure.[49]

Autor: Prof. Dr. Rüdiger Ernst, Vorsitzender Richter am Kammergericht, Berlin[1]

FF 5/2020, S. 195 - 203

[49] Ernst, Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Qualitätssicherung im familiengerichtlichen Verfahren, FF 2020, 11.
[1] Der Verfasser ist Mitglied der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags.

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