Einführung
Im Juni 2021 erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Schwäbisch Hall, in dem das Gericht die Kosten in einem Sorgerechtsverfahren auf 30.000 EUR festsetzte und zwei Opferschutzorganisationen (der Opferschutzeinrichtung S. und der E.stiftung), bei denen die Kindsmutter im Vorfeld und während des Verfahrens Unterstützung gefunden hatte, die Hälfte der Kosten auferlegte. Vorausgegangen war dem Kostenfestsetzungsbeschluss ein Beschluss des Gerichts aus dem Mai 2021. Die Mutter hatte in diesem Verfahren den Sorgerechtsentzug des Kindsvaters für das gemeinsame minderjährige Kind angestrebt und dies mit einem sexuellen Missbrauch durch den Kindsvater begründet. Sowohl die Festsetzung derart hoher Kosten als auch die Beteiligung von Opferschutzorganisationen an den Kosten werfen zahlreiche Fragen auf. In diesem Beitrag soll die Entscheidung sowohl hinsichtlich der Auferlegung der Kosten an Opferschutzorganisationen (I) als auch der Kostenhöhe (II) erörtert und in einem Fazit (III) kritisch gewürdigt werden.
I. Auferlegung der Kosten
Mit Blick auf die einzelnen Vorgaben des § 81 Abs. 4 FamFG verwundert dieser Beschluss. In § 81 Abs. 4 FamFG ist vorgesehen, dass einem Dritten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft. In der Literatur wird die Vorschrift des § 81 Abs. 4 FamFG mit § 469 StPO verglichen, wonach einem Anzeigeerstatter die Kosten eines Strafverfahrens auferlegt werden können, wenn er dieses durch eine leichtfertige Anzeige veranlasst hat.
1. Dritter
Als Dritter wird angesehen, wer nicht Beteiligter ist. Dies ist in dem hier beschriebenen Fall unzweifelhaft der Fall, da sowohl die Opferschutzorganisation S. als auch die E.stiftung nicht unmittelbar Verfahrensbeteiligte sind.
2. Veranlassung
Eine Tätigkeit des Gerichts muss von einem Dritten verursacht worden sein. Dabei werden in der Literatur Fälle genannt, in den z.B. Nachbarn, Verwandte durch Anzeigen oder ähnliches un- oder mittelbar das Verfahren verursacht haben oder in einem laufenden Verfahren kostenverursachende Tätigkeiten wie eine Beweisaufnahme verursachen. Dabei müssen sie nicht den Anstoß zum Verfahren gegeben haben, sondern es sei ausreichend, wenn ein Teilstück wie z.B. eine Beweisaufnahme oder das Einholen eines Gutachtens von einem Dritten veranlasst wurde. Zwischen dem Verhalten des Dritten und dem Tätigwerden des Gerichts muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies dürfte im hiesigen Fall nicht der Fall sein. Es gibt lediglich ein Schreiben der Opferschutzorganisation S., das sich direkt an das Gericht gewendet hat. Es ist in Gerichtsverfahren üblich, dass schriftliche Stellungnahmen von Kita-Leitungen, Beratungsstellen, Ärzten etc. eingereicht werden. Wie diese Berücksichtigung finden, ob z.B. ein Zeuge nochmals mündlich gehört wird oder eine weitergehende Stellungnahme hinzugezogen wird, steht in der Entscheidungsbefugnis des Gerichts. Die Auffassung, dass Dritte kausal die kostenverursachende Tätigkeit einer Beweisaufnahme verursachen, in dem sie schriftlich ihre Auffassung gegenüber dem Gericht darlegen, würde diese zur Herrin des Verfahrens machen, was aber dem Gericht obliegt.
Auch bei einem Blick auf die konkreten Ausführungen des Gerichts ist eine andere Einschätzung nicht möglich. Nach Auffassung des Gerichts hätten die beiden Opferschutzschutzorganisationen S. und E.stiftung "aufgrund ihrer vorverurteilenden Haltung lange Zeit eine sachliche gerichtliche Aufklärung der Vorgänge verhindert". Hier stellt sich die Frage, wie zwei Opferschutzorganisationen in der Lage sein könnten, eine gerichtliche Aufklärung, die ausschließlich dem Gericht obliegt, zu verhindern. Ausweislich der Sachverhaltsdarstellung des Gerichts gab es insbesondere fünf Tätigkeiten der Opferschutzorganisationen: Die Opferschutzorganisation S. hatte eine Diplom-Psychologin beauftragt, sich das Video der kriminalpolizeilichen Vernehmung des Kindes in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt anzusehen und eine private Stellungnahme abzugeben und übernahm die Kosten hierfür. Die E.stiftung übernahm die Kosten eines Privatgutachtens eines Facharztes für Innere Medizin, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin. Die E.stiftung schrieb an eine Jugendamtsmitarbeiterin eine Mail, in der sie auf Basis ihrer Erfahrung ihre Einschätzung mitteilte. Eine Mitarbeiterin von der Opferschutzorganisation S. schrieb eine Mail an die Poststelle des Gerichts, an Jugendamtsmitarbeiter und eine weitere Richterin, in der sie ihrer Sorge Ausdruck verlieh. Es hand...