I. Scheidungsmonopol der Gerichte in Deutschland
Dass eine Scheidung allein durch gerichtliche Entscheidung erfolgen kann, regelt für das materielle deutsche Recht § 1564 S. 1 BGB. Das kollisionsrechtliche Pendant enthält Art. 17 Abs. 3 EGBGB, der für alle im Inland vorgenommenen Scheidungen die gerichtliche Beteiligung vorschreibt. Obgleich die Berechtigung dieses Scheidungsmonopols der Gerichte gelegentlich in Frage gestellt wird, konnten sich Überlegungen zur Einführung einer außergerichtlichen Scheidung, etwa im Standesamt oder im Notariat, bislang nicht durchsetzen. Dafür spräche neben einer möglichen Kostenersparnis für die betroffenen Paare und der Entlastung der Justiz auch das moderne Verständnis der Ehe als privatrechtlichem Vertrag zwischen mündigen Erwachsenen. Zu groß ist jedoch die Furcht, dass ohne Gericht keine hinreichende Gewähr für ein faires Verfahren und den Schutz des schwächeren Ehepartners oder gemeinsamer Kinder besteht. Würde man allerdings weiterhin eine anwaltliche Begleitung der Scheidung – ggf. sogar durch jeweils eigene Anwälte – vorschreiben, könnte diese Sorge sicher entkräftet werden. Fraglich bleibt dann aber, wie groß der Vorteil, vor allem die Kostenersparnis, für das Paar wäre, zumal für den Versorgungsausgleich außer bei kurzen Ehen (§ 3 Abs. 3 VersAusglG) ohnehin ein Gerichtsverfahren erforderlich bliebe.
II. Vielfalt der Scheidungsrechte weltweit
Neben Deutschland verlangt weltweit eine große Zahl weiterer Staaten die gerichtliche Scheidung. In anderen Staaten liegt die Zuständigkeit zwar nicht bei den Gerichten, sondern bei einer Behörde. Ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied zu gerichtlichen Scheidungen besteht aber nicht, weil die ehebeendende Wirkung auch hier erst durch die letztverbindliche Gestaltungsentscheidung einer staatlichen Stelle nach einer inhaltlichen Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen eintritt. In beiden Fällen kann also von Verfahrensscheidungen gesprochen werden.
Es gibt aber auch zahlreiche Rechtsordnungen, in denen die Scheidung durch einen privaten Willensakt eines oder beider Ehegatten herbeigeführt werden kann. Erstens kann die Scheidung im jüdisch-religiösen Recht erfolgen, indem der Mann der Frau den Scheidungsbrief (get) überreicht und diese ihn annimmt. Zweitens eröffnen mehrere Staaten mit islamisch geprägter Rechtsordnung dem Ehemann einseitig die Möglichkeit zur Verstoßung der Ehefrau durch Ausspruch der Scheidungsformel (talāq). Die Beteiligungsmöglichkeiten der Frau sind dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet; die klassische Verstoßung, bei welcher der Mann die talāq-Formel – u.U. sogar in Abwesenheit der Frau – lediglich auszusprechen hat, wird aber zunehmend seltener und auch ein geistliches Schariagericht ist regelmäßig in das Verfahren eingebunden. Drittens können die Ehegatten ihre Ehe in einigen Rechtsordnungen einvernehmlich im Wege eines Vertrags beenden. Solche Scheidungsverträge kennen manche Staaten mit islamischem Recht, sie sind aber vor allem im ostasiatischen Rechtskreis und seit einigen Jahren auch immer stärker in Mittel- und Südamerika und neuerdings auch in manchen EU-Mitgliedstaaten (dazu sogleich) üblich.
Auch wenn die meisten dieser Scheidungen wenigstens formal in ein staatliches Verfahren eingebunden sind und eines staatlichen Beteiligungsakts – etwa in Form der Registrierung oder Bestätigung – bedürfen, spricht man in diesen Fällen von Privatscheidungen, weil die ehebeendende Wirkung maßgeblich durch den privaten Willensakt des Ehemannes oder beider Ehegatten herbeigeführt wird. Die Abgrenzung zu Verfahrensscheidungen kann aber durchaus Probleme bereiten (dazu unten mehr).
Eine Untergruppe bilden schließlich reine Privatscheidungen, die ganz auf eine staatliche Beteiligung verzichten. Diese kommen aber nur noch in einigen wenigen afrikanischen Stammesrechten vor und sind für die Praxis nicht relevant.
III. Neue Vertragsscheidungsformen in der EU
1. Überblick
In der EU kann grob zwischen drei Staatengruppen unterschieden werden: Neben Deutschland halten z.B. auch Österreich, Polen und Belgien am Scheidungsmonopol der Gerichte fest. In einer zweiten Staatengruppe, zu der vor allem einige nordeuropäische Staaten zählen, liegt die Zuständigkeit für Ehescheidungen zwar bei einer Verwaltungsbehörde, etwa den Standesämtern. Die Ehe endet aber auch hier erst nach Prüfung der inhaltlichen Scheidungsvoraussetzungen durch den Ausspruch der Behörde. Hier wie dort bedarf es also der letztverbindlichen Gestaltungsentscheidung ein...