Die inhaltliche Prüfung drittstaatlicher Privatscheidungen richtet sich, wie schon erläutert, nicht nach dem großzügigen verfahrensrechtlichen Anerkennungsmaßstab des § 109 FamFG, sondern nach dem anwendbaren Kollisions- und materiellen Recht. Diese materielle Wirksamkeitskontrolle bzw. kollisionsrechtliche Anerkennung kann gedanklich in folgende vier Schritte untergliedert werden:
1. Erster Schritt: Intertemporaler Anwendungsbereich des Kollisionsrechts
Zunächst ist zu klären, welche Kollisionsregeln überhaupt zeitlich anwendbar sind. Früher regelte Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. das auf alle Scheidungen – einschließlich Privatscheidungen – anwendbare Recht. Weil in Deutschland aber seit dem 21.6.2012 die Rom III-VO gilt, strich der deutsche Gesetzgeber Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. zum 29.1.2013 als vermeintlich obsolet, denn er sah das Scheidungskollisionsrecht umfassend von der Verordnung geregelt. Auf Vorlage des OLG München hin urteilte jedoch der EuGH Ende 2017 in seiner berühmten Sahyouni/Mamisch-Entscheidung, dass der Anwendungsbereich der Rom III-VO gerade keine Privatscheidungen erfasse. In der Folgezeit war unklar, wie die dadurch entstandene Regelungslücke zu schließen sei. Der deutsche Gesetzgeber reagierte zügig, indem er mit Art. 17 Abs. 2 EGBGB n.F. eine neue Kollisionsvorschrift schuf, die im Grunde auf die Rom III-VO verweist, aber einige Modifikationen vornimmt. Inzwischen ist auch höchstrichterlich geklärt, dass die Neuregelung, obwohl sie erst am 21.12.2018 in Kraft getreten ist, rückwirkend für alle Privatscheidungen gilt, die seit dem 29.1.2013, also der Abschaffung von Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F., vorgenommen wurden. Das frühere Kollisionsrecht aus Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EGBGB a.F. gilt also nur für Privatscheidungen, die vor dem 29.1.2013 durchgeführt worden sind. Dies führt dazu, dass für solche Altfälle primär das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten im Zeitpunkt der Privatscheidung gilt.
2. Zweiter Schritt: Ermittlung des Scheidungsstatuts über das anwendbare Kollisionsrecht
Im zweiten Schritt muss über das einschlägige Kollisionsrecht das Scheidungsstatut ermittelt werden. Da das frühere Kollisionsrecht hinlänglich bekannt sein dürfte, konzentriert sich dieser Beitrag auf Art. 17 Abs. 2 EGBGB n.F. Bei diesem handelt es sich um eine ungewöhnliche Kollisionsvorschrift. Denn dass der deutsche Gesetzgeber für eine Materie, die eigentlich nicht in den Anwendungsbereich des EU-Rechts fällt, qua nationalen Verweises das EU-Recht für anwendbar erklärt, dann aber über nationale Modifikationen seinen eigenen Stempel setzt, ist ein Novum.
a) Primär: Rechtswahl
Der grundsätzliche Verweis in Art. 17 Abs. 2 EGBGB auf die Kollisionsvorschriften der Rom III-VO bedeutet zunächst, dass primär eine Rechtswahl der Eheleute gilt (vgl. Art. 5 Rom III-VO). Anders als nach dem alten Scheidungskollisionsrecht des EGBGB wird den Ehegatten also Autonomie eingeräumt, zwischen einem bestimmten Kreis von Rechtsordnungen wählen und damit ein privatscheidungsfreundliches Recht zur Anwendung bringen zu können. Da bei Privatscheidungen kein Gericht angerufen wird, stellt Art. 17 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB für den Zeitpunkt der Rechtswahl auf die "Einleitung des Scheidungsverfahrens" ab, womit der Moment gemeint ist, in dem der Scheidungsgegner mit der Scheidung erstmals förmlich befasst wird. Außerdem ist gem. Art. 17 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB eine Rechtswahl zugunsten des Rechts des Gerichtsstaates nach Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO ausgeschlossen. Würde man den Eheleuten die Wahl des Rechts am Vornahmeort der Privatscheidung erlauben, wären sie nämlich völlig frei darin, irgendeine privatscheidungsfreundliche Rechtsordnung zu wählen, zu der sie keinerlei Verbindung haben müssten.
In der Praxis dürfte die Möglichkeit zur Rechtswahl aber häufig an den hohen Formerfordernissen scheitern. Die Rom III-VO stellt in Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO zwar keine allzu strengen Anforderungen an die Form auf. Danach muss die Rechtswahl schriftlich erfolgen, datiert und unterzeichnet sein und kann auch durch eine elektronische Übermittlung erfolgen. Allerdings enthält Art. 7 Abs. 2 bis 4 Rom III-VO Öffnung...