1. Überblick
In der EU kann grob zwischen drei Staatengruppen unterschieden werden: Neben Deutschland halten z.B. auch Österreich, Polen und Belgien am Scheidungsmonopol der Gerichte fest. In einer zweiten Staatengruppe, zu der vor allem einige nordeuropäische Staaten zählen, liegt die Zuständigkeit für Ehescheidungen zwar bei einer Verwaltungsbehörde, etwa den Standesämtern. Die Ehe endet aber auch hier erst nach Prüfung der inhaltlichen Scheidungsvoraussetzungen durch den Ausspruch der Behörde. Hier wie dort bedarf es also der letztverbindlichen Gestaltungsentscheidung einer staatlichen Stelle, weshalb die EuEheVO unter den Begriff "Gericht" schon immer auch Behörden fasst. Seit wenigen Jahren gibt es in Europa allerdings eine dritte Staatengruppe, die den Eheleuten eine Scheidung im Wege des Vertrags erlaubt, der allerdings stets eines zumindest formalen behördlichen oder notariellen Mitwirkungsakts bedarf. Eine reine Privatscheidung kennt kein EU-Staat.
2. Italien
Das italienische Recht kennt seit 2014 zwei Formen der außergerichtlichen Scheidung. Die Ehegatten können entweder mit Unterstützung jeweils eigener Anwälte einen Scheidungsvertrag schließen. Die Vereinbarung wird dann vom Staatsanwalt auf formale Unregelmäßigkeiten überprüft und ins Personenstandsregister eingetragen, wenn er sein Einverständnis (nihil obstat) erklärt. Sind minderjährige oder unselbstständige (d.h. geschäftsunfähige, schwer behinderte oder wirtschaftlich unselbstständige) volljährige Kinder vorhanden, müssen die Ehegatten in dem Scheidungsvertrag allerdings auch die Kinder betreffende finanzielle Fragen sowie das Umgangsrecht regeln. Der Staatsanwalt überprüft die Vereinbarung dann auch inhaltlich und muss die Akte bei Bedenken, dass die Interessen der Kinder nicht ausreichend berücksichtigt sind, dem Gerichtspräsidenten übersenden.
Falls die Ehepartner keine minderjährigen oder unselbstständigen volljährigen Kinder haben und auch keine Vereinbarung über Vermögensübertragungen treffen möchten (wobei umstritten ist, ob damit auch Vereinbarungen über das Unterhaltsrecht gemeint sind), können sie außerdem vor dem örtlichen Bürgermeister in seiner Funktion als oberstem Zivilstandsbeamten erklären, dass sie sich unter den im Voraus vereinbarten Bedingungen scheiden lassen wollen. Nach Ablauf von 30 Tagen lädt der Bürgermeister sie erneut zur Bestätigung ihrer Erklärungen ein. In der Zwischenzeit haben die Eheleute Zeit, ihre Entscheidung ggf. zu überdenken, und der Bürgermeister kann überprüfen, ob tatsächlich keine Kinder vorhanden sind. Eine inhaltliche Überprüfung der Vereinbarung nimmt er hingegen nicht vor. Die Scheidung wird mit der Bestätigung und Beurkundung im zweiten Termin wirksam. Ein Anwaltszwang besteht nicht und die Verfahrenskosten betragen lediglich 16 EUR.
3. Spanien
Auch Spanien kennt seit 2015 zwei Formen der außergerichtlichen Scheidung, die aber jeweils nur Ehegatten offenstehen, die sich über alle Scheidungsfolgen einig sind und keine gemeinsamen minderjährigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Kinder haben. Ein Anwaltszwang besteht nicht.
Nach der ersten Möglichkeit erklären die Ehegatten ihre Scheidungsabsicht vor einem Rechtspfleger, für den die Vorschriften über die einvernehmliche gerichtliche Scheidung gelten. Diese Scheidungsform unterscheidet sich nicht nennenswert von den bisher schon in einigen EU-Staaten üblichen behördlichen Scheidungen, denn der Rechtspfleger prüft die Scheidungsvereinbarung inhaltlich und kann die Scheidung ablehnen, wenn er Bedenken in Bezug auf die Legalität oder Ausgewogenheit der Vereinbarung hat. Die Ehe endet erst durch den Beschluss des Rechtspflegers.
Nach der zweiten Möglichkeit erklären die Ehegatten ihre Scheidungsabsicht vor einem Notar, der die Scheidungsvereinbarung ebenfalls auf ihre Legalität und Ausgewogenheit zu prüfen...