RVG § 48 Abs. 3, RVG VV 1000 1003
Leitsatz
1. Der in einer Folgesache beigeordnete Anwalt erhält auch für eine notarielle Einigung seine Vergütung aus der Landeskasse.
2. Wird über die in der Auskunftsstufe anhängige Folgesache zum Güterrecht eine Einigung unter Übertragung einer Immobilie getroffen, ist auch der Wert der Eigentumsübertragung in Ansatz zu bringen.
(red. LS)
OLG Köln, Beschl. v. 4.1.2024 – 10 WF 170/23 (AG Eschweiler)
1 Aus den Gründen
Gründe: [1] Das – als Beschwerde gegen den als "Nichtabhilfe" bezeichneten Beschl. v. 10.11.2023, mit welchem über den (richtigerweise als Erinnerung auszulegenden, § 56 RVG) Rechtsbehelf gegen die Festsetzung entschieden worden ist, auszulegende – Rechtsmittel der Verfahrensbevollmächtigten hat Erfolg, weil das Amtsgericht zu Unrecht die Vergütung um die Positionen VV 1000, 1003 – die der rechnerischen Höhe nach in erster Instanz nicht beanstandet worden sind – gekürzt hat.
[2] Hierzu hat die Beschwerde richtig darauf verwiesen, dass eine (gerade) außergerichtliche Einigung eine Vergütung auslösen kann, wenn ein Fall des § 48 Abs. 3 RVG vorliegt. Dass das gerichtliche Verfahren (nicht durch gerichtlichen Vergleich, sondern) durch Erledigungserklärungen beendet wurde (und somit konsequent kein Wert für einen (nicht existenten!) gerichtlichen Vergleich festgesetzt worden ist), ist insoweit unschädlich; ein gerichtlicher Vergleich hätte Gebühren schon nach § 45 RVG ausgelöst.
[3] Gerade die nicht-gerichtliche Einigung durch Vertrag ist aber von § 48 Abs. 3 RVG umfasst; die – allein streitige – Frage, ob der Gegenstand eines solchen außergerichtlichen Vergleichs zumindest im Verbund anhängig sein muss (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.12.2015 – 7 WF 372/15, FamRZ 2017, 318), kann vorliegend dahinstehen, weil Güter- und Unterhaltsrecht in der Auskunftsstufe anhängig waren.
[4] In Ansatz zu bringen sind aber nicht nur die Folgesachen, sondern auch der Wert der Eigentumsübertragung an der Immobilie.
[5] Nach Ansicht des Senats (so bereits Beschl. v. 15.3.2016 – 10 WF 5/16; ferner OLG Köln, Beschl. v. 19.5.2005 – 12 WF 24/05, FamRZ 2005, 1851) unterfällt die Übertragung eines Grundstücksmiteigentumsanteils der Nr. 6 (Güterrecht). Zwar wird von der Gegenansicht vorgebracht, im Rahmen des Güterrechts bestünden nach dem Gesetz nur auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 15.10.2014 – 13 WF 923/14, FamRZ 2015, 785), gerade von dort wird aber konzediert, dass – wie vorliegend – über eine Grundstücksübertragung diese Güterrechtsansprüche "abgegolten" werden. Wenn dies der Fall ist, ist (wenngleich durch atypische, im Vergleichswege erreichte Leistung) eine Frage des Güterrechts einvernehmlich und unter Vermeidung gerichtlicher Hilfe geklärt worden, was den Gebührentatbestand auslöst, da der Gesetzeszweck darauf gerichtet ist, den Abschluss von Scheidungsfolgenvereinbarungen kostenrechtlich zu erleichtern, um langwierige und auch für die Staatskasse kostenaufwendige streitige Verfahren zu ersparen (so auch OLG Köln, Beschl. v. 19.5.2005 – 12 WF 24/05, FamRZ 2005, 1851). Hinzu tritt, dass auch die Übertragung des Grundstückes ihre Wurzel im ehelichen Güterrecht hat (OLG Bamberg, Beschl. v. 5.7.2017 – 2 WF 243/16, FamRZ 2017, 1956).
[6] Eine – vom Amtsgericht unterstellte – Gefahr der Doppelvergütung besteht nicht; die Kostenregelung des Notarvertrags betrifft (nur) die Kosten der Urkunde und regelt gerade nicht die Kosten anwaltlicher Inanspruchnahme.
[7] Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2,3 RVG.
2 Anmerkung
Die knapp begründete Entscheidung des OLG Köln gibt ungeachtet dessen Anlass, zu einigen hier angesprochenen Fragen ausführlicher Stellung zu nehmen.
Sachverhalt
Im Scheidungsverbundverfahren waren neben dem Versorgungsausgleich auch die Folgesachen Unterhalt und Zugewinn anhängig. Während des Verfahrens hatten sich die beteiligten Eheleute unter Mitwirkung ihrer Anwälte durch notariellen Vertrag unter Übertragung einer Immobilie über den Zugewinnausgleich geeinigt und im Hinblick darauf die Folgesache Güterrecht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der der Antragstellerin beigeordnete Anwalt beantragte daraufhin gegenüber der Landeskasse u.a. die Festsetzung einer Einigungsgebühr aus dem Wert des Zugewinns. Das FamG hat die Gebühr abgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
Erstreckung der Beiordnung
Die Urkundsbeamtin beim FamG hatte die Festsetzung einer Einigungsgebühr mit der Begründung abgelehnt, dass die Einigung nicht vor Gericht geschlossen worden und deshalb nicht aus der Landeskasse zu übernehmen sei. Das OLG führt insoweit aus, dass die "nicht-gerichtliche Einigung" aber von § 48 Abs. 3 RVG umfasst sei.
Insoweit sei zunächst einmal darauf hingewiesen, dass es hier gar nicht um die Frage des § 48 Abs. 3 RVG geht. Die Vorschrift des § 48 Abs. 3 RVG ordnet an, dass ein Anwalt, der in der Ehesache beigeordnet ist, auch für eine Einigung über die in § 48 Abs. 3 RVG aufgeführten Familiensachen als beigeordnet gilt und seine Vergütung insoweit aus der...