I. Ehefrau wird Elternstelle

Der DAV begrüßt das Vorhaben, die Ehefrau der Mutter ebenfalls sogleich als Elternstelle (Mutter) einzurichten. Unabhängig von einer Ehe soll dies auch durch Anerkennung ermöglicht werden und rückwirkend seit der Einführung der "Ehe für alle" im Jahr 2017 erfolgen können. Die Folgen einer Rückwirkung müssen dabei im Hinblick auf Kollisionen und Anfechtungstatbeständen allerdings besonders geregelt werden.

Kritisch sieht der DAV die Beibehaltung der binären Bezeichnungen für Mutter und Vater, denn auch im Hinblick auf die Regelungen im TSG, künftig SBGG, sollten die zum Zeitpunkt der Geburt (und künftig auch Elternschaftsvereinbarung) bestehenden rechtlichen Geschlechtsidentitäten maßgeblich für die Elternschaft und ihre Eintragung sein. Zur Vereinheitlichung der gesetzlichen Begrifflichkeit hält der DAV die Begriffe Elternstelle oder Elter für gut geeignet.

II. Elternschaftsvereinbarungen

Für die rechtsverbindliche Begründung der 2. Elternstelle als Vater- oder Mutterschaft soll künftig eine vor der Zeugung (präkonzeptionell) notariell zu beurkundende Elternschaftsvereinbarung (pEV) ausreichen. Die Bestimmung, wer Elternstelle wird, ist dabei einschränkungslos möglich und soll einer Anerkennung mit Zustimmung sowie gerichtlichen Feststellung aufgrund einer genetischen Abstammung vorgehen. Eine Anfechtung der Vertragseltern sowie eines ggf. beteiligten privaten Samenspenders ist ausgeschlossen. Das Kind hat nur die Möglichkeit eines statusunabhängigen Feststellungsverfahrens, kann aber selbst die vertraglich statuierte Elternschaft nicht beseitigen. Damit wird die privatautonome der genetisch-biologischen Elternschaft gleichgestellt. Die Verlässlichkeit durch den Entfall von Anfechtungsrechten und der Einbeziehung privater Samenspender ohne Elternabsicht ist begrüßenswert. Ob der Anfechtungsausschluss bei einer pEV nicht verheirateter Wunscheltern indes auch für den Fall gilt, dass die Mutter später heiratet und das Kind in neuer Ehe zur Welt kommt, ist vom Eckpunktepapier offen gelassen.

Kritisch gesehen wird vom DAV allerdings eine mit der geplanten pEV verbundene mutter- und kindeswohlfeindliche Nutzungsmöglichkeit: Eine Person kann mittels pEV, deren Anlass und Ziel ungeprüft bleibt – also auch gegen Bezahlung an Dritte –, neben der Geburtsmutter zur unanfechtbaren 2. Elternstelle werden. Von wem das ausgetragene Kind genetisch stammt, spielt keine Rolle. Die Mutter kann sodann (auftragsgemäß) ihr Sorgerecht (erneut ohne jede Kontrolle und Überprüfung – also auch durch Dritte veranlasst) auf den 2. Elter übertragen und auf ihr Umgangsrecht verzichten. Der Vertragselter bestimmt dann allein über Aufenthaltsort, Versorgung und Umgang des Kindes. Im letzten Schritt könnte zur (geplanten und bezahlten?) statusrechtlichen Entfernung der Geburtsmutter eine (Stiefkind-)Adoption eines etwaigen Partners oder Partnerin durchgeführt werden; wirksame Korrektive des Rechts sind nicht vorhanden oder vorgesehen.

Damit eröffnen pEV und niedrigschwellige Sorge- und Umgangsverzichte neue Möglichkeiten für Kinderhandel und Bestellelternschaft.

III. Sozial-familiäre Beziehung

Der vorgesehene Ausschluss einer Anerkennungsmöglichkeit nach Einleitung eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens ist bedenklich. Dem Kind kann damit keine 2. Elternstelle zugeordnet werden, was in Anbetracht langwieriger gerichtlicher Verfahren und vor dem Hintergrund der gesetzlichen Pflicht, schnellstmöglich ein Eltern-Kind-Verhältnis zum weiteren Elternteil herzustellen, keine taugliche Lösung darstellt. Das Vorhaben des Gesetzgebers steht damit auch dem eigenen Anspruch einer Liberalisierung des Abstammungsrechts durch Übertragung statusrechtlicher Kompetenzen auf die Vertragseltern entgegen. Die Kollision von voluntativ statuiertem Vater und (leiblichem) Putativvater muss anders gelöst werden, wenn man die gesetzliche Anerkennungsmöglichkeit mit der Maßgabe, hierfür nur die Zustimmung der Mutter zu fordern, nicht aufgeben möchte. Denkbar wäre z.B. die Einbeziehung des leiblichen Vaters in die Beurkundung (§ 1595 BGB) durch einen gesetzlichen Zustimmungsvorbehalt (Die Anerkennung bedarf der Zustimmung von Mutter und leiblichem Vater). Damit würde sogleich das bestehende statusrechtliche Qualitätsgefälle des nur leiblichen Vaters zur nur biologischen Mutter geglättet.

Darüber hinaus regt der DAV an, zur Verbesserung der Statussicherheit gesetzlich zu verankern, dass im Falle einer rechtskräftigen Zurückweisung eines Anfechtungsantrages aufgrund bestehender sozial-familiärer Beziehung zum rechtlichen Vater sowohl dessen als auch das Anfechtungsrecht der Mutter ausgeschlossen werden.

IV. Standesamtliche Korrekturen

Durch ein beim Standesamt neu einzurichtendes (Urkunds-)Verfahren soll eine rechtliche Elternschaft des Ehegatten mittels einvernehmlicher Erklärungen ohne gerichtliche Beschlussentscheidung niedrigschwellig beseitigt werden können. Es ist bereits fraglich, ob bei den Standesämtern dafür ausreichende Expertise und Ressourcen bestehen. Wird eine rechtliche Elternstelle daraufhin jedoch beseitigt, kann sogleich einschränkungslos und ohne wei...

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