Zunächst sollen die Entscheidungen des BVerfG zur Gewährung von Prozesskostenhilfe betrachtet werden:
Dazu gehört z.B. die Entscheidung, über die Ablehnung der PKH für einen Sorgerechtsantrag wegen einer am gleichen Tage ergangenen Entscheidung zur Hauptsache. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, das Grundgesetz gebiete eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtschutzes, was sich aus Art. 3, 19 Abs. 4 GG (Rechtsstaatsprinzip) ergebe. PKH dürfe daher nur verweigert werden, wenn die Erfolgschance nur eine entfernte sei; das sei aber nicht der Fall, wenn das Oberlandesgericht in seiner Verweigerung der PKH auf eine gleichzeitig ergangene Hauptsacheentscheidung mit Anhörung des Kindes Bezug nehme. Hier wird aus der Verfassung die Pflicht des Gerichtes hergeleitet, nicht zugleich über den PKH-Antrag und die Hauptsache zu entscheiden.
Auf der gleichen Linie liegt auch ein Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats wonach PKH nicht versagt werden darf, wenn es sich um schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen handelt. Denn sonst würde der unbemittelten Partei die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen.
Auf dieser Linie – nämlich ungeklärte Rechtsfrage – liegt auch der Fall Gäfgen (PKH für einen Mörder für Schadensersatzklage wegen des Nötigungsversuchs gegen das Land Hessen), den das BVerfG vor kurzem entschieden hat und dessen Entscheidung nur schwer zu vermitteln ist.
Im vorhergehenden Fall hatte das AG einen PKH-Antrag für die Übertragung der Alleinsorge der Mutter, weil der Vater kein Interesse an den Kindern mehr zeige und auch keinen Unterhalt zahle, zurückgewiesen. Das OLG hatte das bestätigt mit dem Argument, im Gesetz sei die gemeinsame Sorge als Regelfall vorgesehen und nur, wenn ein tief greifendes Zerwürfnis zwischen den Eltern bestehe, komme die Alleinsorge in Betracht. Das BVerfG, hob die Entscheidung auf, weil schon vom BGH entschieden sei, dass der gemeinsamen Sorge kein Vorrang in dem Sinne des OLG zukomme. Wenn das OLG von einer Entscheidung des BGH abweichen wolle, müsse es erst recht PKH bewilligen.
Das BVerfG hat darüber hinaus in einem PKH-Fall entschieden, dass die Zurechnung fiktiven Einkommens auf Grund einer generellen Erwerbsobliegenheit des Schuldners das Grundrecht des Betroffenen verletzt, wenn das Gericht nicht Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt. Hier hat das BVerfG eine Verletzung von Art. 3 i.V.m. 20 Abs. 3 GG angenommen (Verbot der Diskriminierung wegen Armut), weil zwar auch die fiktiv erzielbaren Einkünfte zu berücksichtigen seien, dies setze aber voraus, dass solche Einkünfte zumutbar erzielt werden könnten. Im zu entscheidenden Fall nehme der Verpflichtete aber schon einen weiten Anfahrtsweg auf sich und ein Umzug sei ihm auf Grund seiner Bindungen an den Wohnort nicht zumutbar.
Ähnlich hat die 1. Kammer des 1. Senats des BVerfG es als einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verurteilung auf der Basis eines fiktiven Einkommens auf Grund einer vollen Pfarrstelle vorzunehmen, wo auf dem kirchlichen Arbeitsmarkt volle Stellen nicht zur Verfügung stehen.
Auf einer ähnlichen Linie – Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst – liegt eine Entscheidung, wo hier zusätzlich gesagt wurde, dass die Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte (z.B. der Rechtsschutzgleichheit) beruhen muss. Im konkreten Fall war bei Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst ein entsprechendes Einkommen fingiert worden. Ich vermag allerdings nicht zu sehen, warum die Entscheidung in beiden Fällen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte beruhte (2. Voraussetzung), weil ein nicht genannter Senat eines OLG ein fiktives Einkommen angesetzt hatte.
Auch über den Begriff der "grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte" kann man trefflich streiten. Jedenfalls kürzlich hatte das BVerfG nicht beanstandet, dass dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte zugerechnet wurden, wenn er es unterließ, eine mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit auszuüben, die er bei gutem Willen ausüben könnte. Bedeutet die Annahme durch das OLG, die Arbeit sei im konkreten Fall möglich und zumutbar, eine grundsätzlich unrichtige Anschauung der Grundrechte, wenn das Ergebnis nur auf einer konkreten Rechtsanwendung im Einzelfall beruht? Hier kommt man in bedenkliche Nähe des Vorwurfs, das Bundesverfassungsgericht sei das "oberste Amtsgerichts der Bundesrepublik", damit eines Gerichts, das sich nicht auf die Vereinbarkeit der angegriffenen Entscheidung mit der Verfassung beschränke, sondern schlicht alles nachprüfe, was ihm ungerecht erscheine.
Dahin könnte auch die Entscheidung des BVerfG gehören, dass die Verpflichtung zur bundesweiten Arbeitssuche eines Erwerbslosen die Prüfung voraussetzt, ob eine bundesweite Arbeitssuche nach seinen persönlichen Bindungen, insbesondere des Umgangsrechts mit seinen Kindern, zumutbar ...