a) Verteidigung der Rechtskraft
Zweifelhaft ist, ob Alttatsachen vom Gegner in einem neuen Abänderungsverfahren zur Verteidigung vorgebracht werden können. Dies wird vom BGH bejaht, weil insoweit keine Rechtskraftwirkung beseitigt werden müsse. Im erweiterten Anwendungsbereich des § 323 ZPO (§ 238 FamFG) sei die Präklusionsvorschrift nur eingeschränkt anwendbar.
b) Teleologische Reduktion
Zuzustimmen ist dem BGH, dass die Päklusionsbestimmung des § 323 Abs. 2 ZPO (§ 238 Abs. 2 FamFG) nicht ausnahmslos gelten kann. Es sollte indes nicht geleugnet werden, dass auch die erweiterte Rechtskraft echte Rechtskraft ist, die in gleicher Weise für beide Prozessparteien gilt und durch die Präklusionsvorschrift abgesichert wird. Zu prüfen ist, ob die Anwendung dieser Bestimmung im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken ist, wenn und soweit dies erforderlich erscheint, in besonders gelagerten Ausnahmefällen, deren Auswirkungen der Gesetzgeber offensichtlich nicht in vollem Umfang bedacht hat, schlechthin untragbare Ergebnisse zu vermeiden.
c) Regierungsentwurf zu § 238 FamFG
Diese bei § 323 ZPO schon bisher notwendige Prüfung ist auch bei § 238 FamFG vorzunehmen. Der Regierungsentwurf zum FGG-RG v. 7.9.2007 (BT-Drucks 16/6308 S. 50) sah zwar in § 238 Abs. 2 FamFG den Ausschluss von Alttatsachen vor, aber mit dem Zusatz "es sei denn, eine Nichtberücksichtigung wäre insbesondere im Hinblick auf das Verhalten des Antragsgegners grob unbillig". Der Bundesrat (BT-Drucks 16/6308 S. 384) befürchtete indes eine mit der Erhöhung des Streitpotenzials einhergehende höhere Belastung der Gerichte. Dem Rechtsanwender werde eine Ausweitung der Härtefälle gegenüber der bisherigen Berücksichtigung im Wege der teleologischen Reduktion suggeriert. Der bisherige Rechtszustand sei beizubehalten, Die Bundesregierung hielt zwar an ihrem Entwurf fest (BT-Drucks 16/6308 S. 418 f.). Dieser wurde jedoch insoweit nicht Gesetz. Dies dürfte auch auf die ablehnende Stellungnahme von Klinkhammer vor dem Rechtsausschuss des Bundestags (88. Sitzung S. 14) zurückzuführen sein, der sich dagegen wandte, mit einer solchen Zulässigkeitsregelung ein Tor zu öffnen.
Der Entstehungsgeschichte des § 238 FamFG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber es hinsichtlich der Präklusionsregel beim bisherigen Rechtszustand belassen, d.h. Ausnahmen der Rechtsprechung vorbehalten wollte. Dies trifft übrigens auch für die gleichlautende Billigkeitsklausel im Regierungsentwurf beim Verbot der Rückwirkung nach § 323 Abs. 3 ZPO (§ 238 Abs. 3 FamFG) zu. Während jedoch der Gesetzgeber das Verbot der rückwirkenden Änderung nach § 323 Abs. 3 ZPO seit Bestehen dieser Vorschrift im Laufe der Zeit gelockert hat (§ 238 Abs. 3 FamFG), ist dies bei der Präklusion nicht geschehen, sodass hier mehr als dort mögliche Ausnahmen eine Aufgabe der Rechtsprechung bleiben.
d) Grobe Unbilligkeit
Man kann den vorgesehenen Gesetzestext zur Konkretisierung der teleologischen Reduktion des § 323 Abs. 2 ZPO (§ 238 Abs. 2 FamFG) heranziehen. Die wörtliche Anwendung der Präklusionsvorschrift muss bei umfassender Würdigung aller Umstände zu einer groben Unbilligkeit fuhren. Diese kann insbesondere im Hinblick auf das Verhalten des Gegners zu bejahen sein. Ein weiterer Gesichtspunkt kann der Bestimmung des § 313 BGB entnommen werden, weil die Regeln der Geschäftsgrundlage und § 323 ZPO (§ 238 FamFG) auf dem gleichen Grundgedanken beruhen, der vom BGH als übergesetzlicher Rechtssatz bezeichneten clausula rebus sic stantibus. Wenn es den Parteien bei einem Unterhaltsvertrag, etwa wegen eines beiderseitigen Irrtums, bei dessen Abschluss nicht zuzumuten ist, unverändert gebunden zu bleiben, ist dies ein Indiz dafür, dass eine vergleichbare Lage beim Unterhaltsurteil eine Ausnahme von der in die Zukunft wirkenden Rechtskraft zur Vermeidung einer "ewigen" groben Unbilligkeit rechtfertigen kann, obwohl nach dem Gesetzestext des § 323 ZPO (§ 238 FamFG) Alttatsachen, anders als nach § 313 BGB, nicht zur Abänderung berechtigen.
In die Bewertung, dass die Nichtberücksichtigung alter Tatsachen grob unbillig wäre, sind auch die Folgen für die eine und die andere Unterhaltspartei einzubeziehen. Diese können, insbesondere auf die Dauer, zu einer untragbaren Belastung werden, die nach einer Abhilfe durch den Richter verlangt. Auf diesem Weg könnte auch eine Lösung in den Fällen der Anrechnung eines fiktiven Einkommens wegen mutwilliger Aufgabe des Arbeitsplatzes gefunden werden, wenn Anstrengungen, eine gl...