Inge Saathoff
Ständig sind wir Juristen darum bemüht, unsere Mandanten und auch unsere sonstige Umwelt zu motivieren, frühzeitig klare schriftliche Regelungen für verschiedene Lebenslagen zu treffen. Eheverträge, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Testament … Dass selbst dann, wenn hieran gedacht ist, immer noch Lücken bestehen, über die – Hand aufs Herz – kaum einer von uns beraten hätte, führte mir folgender kurioser Fall vor Augen:
Zwei Geschwister, die den Tod ihrer Mutter zu beklagen haben, sind uneinig darüber, wo diese zu beerdigen sei. Der Bruder weist das Bestattungsinstitut an, die in Oldenburg Verstorbene in Osnabrück zu beerdigen. Die Schwester widerspricht und besteht auf einer Bestattung in Oldenburg. Da der Anwalt des Bruders das Bestattungsinstitut telefonisch darauf hinweist, dass dieser zu seinen Gunsten eine Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus habe und vom Bestattungsinstitut außerdem, wie in einer Beweisaufnahme bestätigt wurde, der Bruder als Auftraggeber und Rechnungsempfänger verstanden wurde, richtete man sich dort nach dessen Wünschen. Es galt offenkundig die Devise, "wer die Musik bezahlt, entscheidet auch, was gespielt wird". Tatsächlich erfasste die Vollmacht aber gerade nicht das Recht zur Totenfürsorge, da ein ausdrücklicher Wille der Vollmachtgeberin, dem anderen nahen Angehörigen, hier der Tochter, das Recht zur Totenfürsorge entziehen zu wollen, nicht erkennbar gewesen war. Dies bestätigte auch das Gericht.
Ein Beisetzungstermin wurde vom Bestattungsinstitut mit dem Bruder abgestimmt, der seinerseits die Schwester informieren wollte. Diese erhielt auch eine Nachricht per SMS, aber erst zu einem Zeitpunkt, nachdem die Beisetzung in Osnabrück bereits erfolgt war. Die Schwester klagte nun auf Umbettung der Mutter nach Oldenburg mit der Begründung, dass die Beisetzung in Oldenburg dem ausdrücklichen Willen der Mutter entsprochen habe. Dass sie sich entsprechend geäußert habe, bestätigten auch verschiedene Zeugen wie z.B. ein Friedhofsgärtner, eine Haushaltshilfe, ein Mitarbeiter eines Seniorendienstes, ein Friedhofswärter und andere Zeugen. Dem Gericht reichten diese Aussagen jedoch nicht aus, um zu der Annahme zu gelangen, dass besonders dringliche, sittlich gerechtfertigte Gründe vorlägen, welche gegenüber der Pietät und der Totenruhe überwiegen. Es sei den Aussagen nicht klar zu entnehmen gewesen, dass es sich um den ausschließlichen Willen der Verstorbenen gehandelt habe, vielmehr seien die Äußerungen gegenüber den Zeugen eher beiläufig erfolgt. Somit wurde die Klage abgewiesen.
Hatte ich eigentlich erwähnt, dass die Verstorbene zum Zeitpunkt ihres Todes schon längere Zeit in Oldenburg lebte? Hatte ich außerdem erwähnt, dass sie in Oldenburg eine Grabstätte erworben hatte und dass in dieser bereits die Urne ihres Ehemannes beigesetzt war? Hatte ich erwähnt, dass keines der Kinder oder Enkelkinder in Osnabrück lebt, um dort das Grab zu besuchen, auch der Bruder nicht, der die Beisetzung in Osnabrück veranlasste? Und hatte ich erwähnt, dass der Bruder nun die Umbettung der Urne des Vaters nach Osnabrück anstrebt? Wie es also tatsächlich um die Totenruhe bestellt ist, mag man nur mutmaßen.
Bei Schilderung des Falles hätte ich nicht gedacht, dass Regelungsbedarf hinsichtlich des Beisetzungsortes bestand, da die äußeren Anzeichen hierfür m.E. klar genug gesetzt waren. Offensichtlich ist es jedoch dringend zu überdenken, ob nicht auch Art und Ort der Beisetzung stets klare schriftliche Regelungen erfordern, um gar nicht erst in eine solche Situation zu geraten … Bei der Gelegenheit sei die Frage erlaubt, liebe Kollegin, lieber Kollege, haben Sie eigentlich für Ihre eigenen Belange Vorsorge getroffen?