Gleichzeitig wird die Entscheidung vom 1.4.2008 als Ansatzpunkt dafür genommen, die Verpflichtung des Kindes zum Umgang zu hinterfragen. Dabei geht es freilich nicht um die Diskussion einer nicht bestehenden Verpflichtung des Kindes zum Umgang, geschweige denn um die ebenfalls nicht bestehende Möglichkeit der Vollstreckung gegen ein Kind zur Durchsetzung einer Umgangsverpflichtung. Vielmehr wird die Rechtspraxis gemeint, wonach festzustellen sei, dass der Kindeswille dahingehend, keinen Umgang haben zu wollen, unzureichend von den Gerichten beachtet werde. Insoweit wird teilweise vertreten, eine Vollstreckung des Umgangsrechts mit Zwang, auch gegen den betreuenden Elternteil, sei nicht kindeswohldienlich, da ein gedeihlicher Umgang für das Kind nur hergestellt werden könne, wenn das Kind selbst den Umgang wolle.
Der Kindeswille findet zwar im Rahmen der Prüfung des Kindes zunehmend Beachtung. Mit wachsender Einsichtsfähigkeit des Kindes muss dementsprechend sein Wille zunehmend Beachtung finden und darf nicht ohne triftigen Grund gebrochen werden, damit das Kind in seinem Selbstvertrauen nicht Schaden nimmt. Insoweit ist die Kritik hinsichtlich der Entscheidung vom 1.4.2008 also unbegründet, als es nicht zutreffend ist, dass der Wille des zum Umgang verpflichteten Elternteiles, nur unbeirrt durchgesetzt auch gegen die ausdrücklich kodifizierten Maßgaben der Rechtsordnung, zu seinem Recht werden kann, während der Kindeswille nicht ausreichend geschützt sei. Hier handelt es sich vielmehr um die verfassungsgemäße Umsetzung des Begriffs des Kindeswohles in der Rechtspraxis. In diesem Zusammenhang bedarf es des ausdrücklichen Hinweises darauf, dass die Beachtlichkeit des Kindeswillens voraussetzt, dass der wirkliche Wille des Kindes feststeht oder ermittelt werden kann. Denn gerade der Kindeswille ist das Instrument, welches vom betreuenden Elternteil am häufigsten eingesetzt wird, um eine Umgangsverweigerung zu rechtfertigen. Und das muss noch nicht einmal vorsätzlich geschehen, denn das Kind im Konflikt neigt dazu, dem Elternteil, an den eine Bindung besteht, das zu sagen, von dem es denkt, dass es erwartet wird. Es bleibt für das Familiengericht also die Verpflichtung, den Kindeswillen zu ermitteln und gegebenenfalls zu unterscheiden zwischen dem, was das Kind äußert, und dem, was das Kind will. Damit soll die tatsächlich oftmals stereotype Wiederholung "Das Kind will schon zum Vater, nur die Mutter will nicht" nicht gerechtfertigt werden. Die Ermittlung des Kindeswillens, gegebenenfalls auch unter Einsatz eines Verfahrenspflegers und der Einholung von Sachverständigengutachten, bleibt aber Aufgabe des Gerichtes, auch wenn dies Kosten verursacht. Ebenso wenig ist zu rechtfertigen, dass die Qualität des Umgangs in der Praxis nur geringe Bedeutung hat. Dabei ist es selbstverständlich, dass ein vom Kind positiv erlebter Umgang erhebliche Auswirkungen auf die Ausprägung des Wunsches des Kindes, Umgang auszuüben, hat.