Es lässt sich festhalten, dass sich die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung im Familienrecht (mit dem Vorzug ertragsorientierter Ansätze) in den letzten Jahren erheblich entwickelt hat. Gleichwohl bestehen deutliche Abweichungen zu der Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht. Dies gilt sowohl für die Auswahl der Bewertungsmethode als auch für die Würdigung der einzelnen Parameter.
Während im Gesellschaftsrecht die Ertragswertmethode nach IDW S 1 vorherrschend ist, befassen sich die Urteile des 12. Senats insbesondere mit der modifizierten Ertragswertmethode. Die sachverhaltsspezifische Auswahl der Bewertungsmethode und deren Anwendung ist Aufgabe des – sachverständig beratenen – Tatrichters. Seine Entscheidung kann nach dem 12. Senat nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Die "modifizierte Ertragswertmethode" verstößt jedoch gerade gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und basiert auf fehlerhaften Erwägungen, da eine eigenständige Bewertung eines Geschäftswerts neben einem Substanzwert nicht möglich ist. Erst durch Kenntnis eines Ertragswerts kann ein Geschäftswert ermittelt werden. Im Familienrecht wird weiterhin, wohl aus Gründen der vermeintlich einfachen Berechnung, an einem betriebswirtschaftlich überholten Verfahren festgehalten, das auf nicht sachgerechten Annahmen beruht. Dem Bewertungsziel "Verkehrswert" wird damit in der Regel nicht Rechnung getragen.
Auch die Ausführungen zur Ermittlung des Ertragswertes sind kritisch zu sehen. Dies betrifft insbesondere den vom 12. Senat vorgeschlagenen Rückgriff auf Vergangenheitswerte für die Ableitung des Zukunftsertrags. Die Ermittlung eines Ertragswertes hat immer – eben auch bei KMU – zukunftsbezogen zu erfolgen. Diese Rechtsprechung und die fehlende Auseinandersetzung mit dem Kapitalisierungszinssatz eröffnen erhebliche Spielräume und führen zu einer "Narrenfreiheit" für die Sachverständigen. Hier bleibt zu hoffen, dass sich auch die familienrechtliche Rechtsprechung zukünftig intensiver mit den wertrelevanten Parametern beschäftigt. Andernfalls ermittelt jeder Gutachter für die Bemessung des Zugewinnausgleichs den Unternehmenswert weiterhin, "wie er will".
Nachträglich erzielte Kaufpreise haben nach der Rechtsprechung im Familienrecht eine maßgebliche Indizwirkung. Dieser Auffassung kann nur gefolgt werden, da Marktpreise offensichtlich zuverlässiger sind als gutachterliche Schätzungen. Bei der Überlegung, ob der Kaufpreis noch herangezogen werden darf, fokussieren sich die bisherigen Entscheidungen eher auf Veränderungen im Marktumfeld. Hier sollte der Blick stärker auf die Unternehmensverhältnisse gerichtet werden.
Latente Steuern sind eine Besonderheit im Familienrecht, die betriebswirtschaftlich nur schwer nachvollzogen werden kann. Offen- ist weiterhin, wie der 12. Senat zu dem Ansatz des tax amortization benefit steht.
Autor: Benjamin Ballhorn , Steuerberater, CVA, Jan König , Steuerberater, CVA, ö.b.u.v. Sachverständiger für Unternehmensbewertung, Bonn
FF 6/2019, S. 235 - 243