I. Aufbau des Sachverständigengutachtens
Der formale Aufbau eines Sachverständigengutachtens in der Familiengerichtsbarkeit wird in der Forensischen Psychiatrie und Familienrechtspsychologie jedoch seit etlichen Jahren ähnlich und vergleichbar angeführt.
Ausnahmen sind jedoch beim Hinwirken auf Einvernehmen mit den Beteiligten nach § 163 Abs. 2 FamFG erkennbar, da dieses Vorgehen in der forensischen Begutachtung durch einen Mediziner in der Familiengerichtsbarkeit keinen herausragenden Stellenwert hat. Das mag auch darin liegen, dass in der Rechtswissenschaft von einigen Juristen ein Hinwirken auf Einvernehmen nach § 163 Abs. 2 FamFG in Kindeswohlgefährdungsfällen (also im Kinderschutzverfahren) – durch einen Gerichtsbeschluss angeordnet – nicht für möglich erachtet wird.
Die Gliederung eines Gutachtens in der Familiengerichtsbarkeit beinhaltet folgende strukturelle Schwerpunkte:
- Anführen der wörtlichen gerichtlichen Fragestellung (Auftraggeber, Beteiligte),
- Übersicht (Nennung und Begründung der eingesetzten Methoden, der Untersuchungstermine mit Datum, Ort, Dauer, ev. Literaturangaben),
- Erfassen der Vorgeschichte durch Aktenanalyse und Wiedergabe des psychiatrisch bzw. psychologisch relevanten Akteninhalts im Gutachten,
- Formulierung von Fragen (Hypothesen), die aus dem Beweisbeschluss und Akteninhalt abgeleitet werden,
- Arbeits- und Untersuchungsplan,
- Durchführung der Untersuchung: Datenerhebung oder Untersuchungsbericht, Befundbericht.
- Streng zu trennen ist die Darstellung der Untersuchungsergebnisse (Datenerhebung) von diagnostischen Schlussfolgerungen, Bewertungen sowie Beurteilungen,
- Zusammenstellung der erhobenen Daten im Befund (gegebenenfalls Befund mit Beantwortung der Fragen unterteilt in einem Kapitel anführen, um Redundanzen zu vermeiden),
- Interpretationen und Beurteilung der Ergebnisse: Beantwortung der Fragen und der juristischen Ausgangsfrage sowie Stellungnahme und gegebenenfalls Abgabe einer Empfehlung,
- Stellungnahme,
- Datum und Unterschrift,
- Anhang (z.B. Literatur, Schriftsätze, Epikrisen, Tabellen, Testauswertungen),
- ein erweiterter Aufgabenkreis des Sachverständigen kann das Hinwirken auf Einvernehmen mit den Beteiligten nach § 163 Abs. 2 FamFG umfassen (nur wenn vom Gericht so beschlossen: § 163 Abs. 2 FamFG).
Das Aufeinanderzugehen beider Fachrichtungen der Forensischen Psychiatrie in Familiensachen und der familienrechtspsychologischen Begutachtung ist vermutlich auch dem Begriff "Kindeswohl" (§ 1697a BGB) geschuldet, der schon lange in den bekannten Sorgerechts- oder Kindeswohlkriterien interdisziplinär ausformuliert wurde.
Das Kindeswohl gilt bekanntermaßen für das Bundesverfassungsgericht als die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung. Die Interessen der Eltern müssen immer da zurückstehen, wo sie mit den Kindeswohlinteressen des Kindes in Widerspruch stehen.
Der Kindeswohlbegriff legitimiert darüber hinaus den Staat und seine Organe im Rahmen der Ausübung des staatlichen "Wächteramtes", in die betroffene Familie einzugreifen, z.B.:
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bei Antragstellung eines Elternteils, beider Eltern oder einer dritten berechtigten Person nach §§ 1685,1671 Abs. 2 BGB, |
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bei der amtswegigen Regelung und Ausgestaltung des Umgangsrechts gemäß § 1684 BGB und |
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bei einer Kindeswohlgefährdung (§§ 1666, 1666a BGB). Dabei darf er in die Elternrechte eingreifen, um die Autonomie der Familie einzuschränken, Teile der elterlichen Sorge oder die gesamte elterliche Sorge zu regeln, notfalls unter Sorgerechtsausschluss eines Elternteils oder auch beider Eltern. |
Der Kindeswohlbegriff fungiert darüber hinaus im Rahmen der künftig zu treffenden gerichtlichen Maßnahmen
rechtlich als
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Verfassungsprinzip, |
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Entscheidungsmaßstab, |
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Verfahrensrichtlinie, |
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rechtspolitischer Gestaltungsauftrag |
und psychologisch als
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"Herstellungsauftrag" (das Kindeswohl herauszufinden und sicherzustellen). |
Beim Kindeswohlbegriff, der teils als Generalklausel, teils als unbestimmter und wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff bezeichnet wird, handelt es sich somit um einen Zentralbegriff bei gerichtlichen Entscheidungen, Kinder- und Jugendhilfeleistungen, Sachverständigentätigkeit, Verfahrensbeistandschaft, Umgangspflegschaft und Umgangsbegleitung.