Der Zweite Internationale Familienrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht fand vom 14.–15.2.2020 in Berlin statt und war mit fast 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine gut besuchte und gelungene Veranstaltung. Die Vorträge der renommierten Referent(inn)en stießen auf großes Interesse und regten das Publikum zu lebhaften Diskussionen an. Ging es vor zwei Jahren noch um einen ersten Überblick, sollte diesmal tiefer in die Thematik eingestiegen werden.
In der Europäischen Union gibt es seit 1999vereinheitlichtes Familienrecht, dem die 27 Mitgliedsstaaten beigetreten sind. Dennoch berichtete Professor Anatol Dutta über zahlreiche Unterschiede. Dutta, der an der Ludwigs-Maximilian-Universität München bürgerliches Recht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung lehrt, machte beim Thema Ehe gleichgeschlechtlicher Paare sogar einen "Eisernen Vorhang" aus, der die westlichen von den östlichen Staaten trennt. Denn in Rumänien, Polen und Kroatien ist die Eheschließung nur zwischen Mann und Frau erlaubt.
Scheidung – unterschiedliche Voraussetzungen und Folgen
Die Scheidung ist überall in der EU bekannt, aber die Voraussetzungen unterscheiden sich erheblich voneinander. So wird in England immer noch am Verschulden eines der Ehepartner festgehalten, in Schweden und Spanien gilt die Verstoßungsscheidung, bei der einer der Partner im Grunde nur einen Antrag stellen muss. In Österreich und in Deutschland gilt das Zerrüttungsprinzip, wobei hierzulande de facto auch die Verstoßungsscheidung an der Tagesordnung ist, weil sehr schnell von der Zerrüttung der Ehe ausgegangen wird. Auch die Verfahren sind unterschiedlich. In einigen kleineren Rechtsordnungen werden die Scheidungsfolgen getrennt verhandelt, so dass nach der Scheidung der Gang zu einem anderen Gericht ansteht, um den güterrechtlichen Ausgleich durchzuführen. Wieder ein anderes Gericht ist für die Kinder zuständig und ein weiteres für den Unterhalt – in unserem Rechtssystem undenkbar, denn hier ist wie in einigen anderen Staaten auch der Scheidungsverbund zwingend vorgeschrieben.
Im Güterrecht nähern sich alle Mitgliedsstaaten einander an. Es gebe keine Rechtsordnung mehr, erläuterte Anatol Dutta, die nicht dem Errungenschaftsgedanken folge: "Wir wollen einen Ehegewinn teilen, wir gucken, was erwirtschaftet wurde, und wollen dann zu gleichen Teilen partizipieren." Und zwar bereits während der laufenden Beziehung, indem die Errungenschaft als ein Sondervermögen, als ein gemeinschaftliches Gesamtgut der Ehegatten definiert wird und nicht erst dann zum Zuge kommt, wenn die Ehe beendet wird, sei es durch Tod oder durch Scheidung.
Die Niederlande hatten noch lange eine Universalgütergemeinschaft, wo auch ererbtes, geschenktes und voreheliches Vermögen in den güterrechtlichen Ausgleich einbezogen wurde. Aber auch diese Rechtsordnung ist als eine der letzten umgeschwenkt auf eine Errungenschaftsgemeinschaft. In Deutschland kommt die Ausnahmeposition mit dem schuldrechtlichen Ausgleich, dem Zugewinnausgleich, hinzu.
Die familienrechtlichen Rechtsakte der Europäischen Union
Die Scheidung an sich, der Unterhalt und die elterliche Sorge sind durch Rechtsakte der Europäischen Union geregelt. Hier nannte Dutta die Brüssel IIa Verordnung, die Rom III Verordnung, die EU Unterhaltsverordnung, das Haager Kinderschutzübereinkommen und das Haager Kindesentführungsübereinkommen. Die Verordnungen gelten unmittelbar und sind höherrangiges Recht. Allgemeine Tendenzen des internationalen Unionsprivatrechts fasste Dutta in drei Punkten zusammen: Gewöhnlicher Aufenthalt statt Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt; Rechtswahlfreiheit und Gerichtsstandswahlfreiheit; die zuständigen Gerichte sollen ihr eigenes Recht anwenden. Die Reform der Brüssel IIa Verordnung tritt am 1.8.2020 in Kraft. Zu den Neuerungen gehört zum Beispiel das Recht des Kindes auf Meinungsäußerung; aber auch die Vorschriften über die Kindesentführung wurden neu gefasst und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen Mitgliedsstaaten wurden neu geregelt.
Güterrecht im internationalen Kontext
Während Professor Dutta einen ausführlichen Überblick über die unterschiedlichen Familienrechte der Mitgliedsstaaten und über die Rechtsakte der Europäischen Union gab, befasste sich Rechtsanwalt Gerd Uecker aus Hamburg mit güterrechtlichen Themen im internationalen Kontext aus praktischer Sicht. Welches Gericht ist zuständig, welches materielle Recht wird angewandt? Die Rechtswahl steht immer im Vordergrund.
Uecker stellte klar, dass für die Ehen, die nach dem 29.1.2019 geschlossen wurden, die europäische Güterrechtsverordnung gilt, die an diesem Datum in Kraft getreten war. Bei älteren Ehen gilt das EGBGB. Um die schwierigen Herausforderungen des Kollisionsrechts der Güterrechtsverordnung zu erklären, bildete Uecker Beispiele aus dem italienischen, dem polnischen oder dem spanischen Kollisionsrecht.
Wie wird der Güterstand von Ehegatten ermittelt? Wenn es eine gemeinschaftliche Staatsangehörigkeit zum ...