BGB § 1361
Leitsatz
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt setzt nicht voraus, dass die Ehegatten zusammengelebt oder gemeinsam gewirtschaftet haben (im Anschluss an Senatsurt. v. 9.2.1994 – XII ZR 220/92, FamRZ 1994, 558).
BGH, Beschl. v. 19.2.2020 – XII ZB 358/19 (OLG Frankfurt/M., AG Frankfurt/M.)
Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Trennungsunterhalt ab Dezember 2018.
[2] Die Antragstellerin besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, während der Antragsgegner britischer Staatsbürger ist. Beide haben einen indischen kulturellen Hintergrund. Am 23.8.2017 schlossen sie die Ehe, die von ihren Eltern arrangiert worden war. Spätestens seit einer Aussprache im August 2018 leben sie getrennt.
[3] Zum Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete die Antragstellerin bei einer Bank mit einem Nettoeinkommen von monatlich 2.670 EUR und lebte im Haushalt ihrer Eltern in Frankfurt am Main. Der Antragsgegner lebte in Paris, wo er als Trader Nettoeinkünfte in Höhe von monatlich 4.000 EUR erzielte, außerdem Mieteinnahmen in Höhe von monatlich 1.000 EUR. Er bewohnte eine Eigentumswohnung, deren Wohnwert mit 500 EUR anzusetzen ist.
[4] Auch nach der Eheschließung lebte und arbeitete die Antragstellerin weiterhin in Frankfurt am Main, der Antragsgegner in Paris. Es war geplant, dass die Antragstellerin sich nach Paris versetzen lässt und man dort gemeinsam lebt. In der Zeit von Ende Dezember 2017 bis Anfang August 2018 gab es wiederholt Übernachtungskontakte an den Wochenenden, entweder bei den Eltern der Antragstellerin in Frankfurt oder in der Wohnung des Antragsgegners in Paris. Dort kam es auch zu einem dreiwöchigen Aufenthalt der Antragstellerin. Eine sexuelle Beziehung wurde nicht aufgenommen. Die Eheleute verfügten über keine gemeinsamen Konten. Jeder verbrauchte seine Einkünfte für sich selbst. Soweit die Antragstellerin sich in Paris aufhielt, bezahlte der Antragsgegner die Einkäufe.
[5] Die Antragstellerin begehrt die Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.585 EUR für die Zeit ab Dezember 2018. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht den Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt ab Dezember 2018 in Höhe von monatlich 1.320 EUR verpflichtet. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
II. [6] Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners erweist sich auf der Grundlage des vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet. Über sie ist daher, obwohl die Antragstellerin im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten war, durch streitige Endentscheidung (unechter Versäumnisbeschluss) zu entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BGH, Urt. v. 22.2.2018 – I ZR 38/17, NZM 2018, 875 Rn 15 m.w.N.).
[7] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in FamRZ 2020, 95 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folge aus Art. 3 lit. b EuUnthVO. Auf den Unterhaltsanspruch sei gemäß Art. 15 EuUnthVO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Haager Unterhaltsprotokolls 2007 deutsches Recht anzuwenden. Der Trennungsunterhaltsanspruch nach § 1361 BGB setze nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung weder voraus, dass die Beteiligten vor der Trennung zusammengezogen seien oder zusammengelebt hätten, noch dass es zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und zu einer inhaltlichen Verwirklichung der Lebensgemeinschaft gekommen sei. Soweit dies in der Literatur und vereinzelt in der Rechtsprechung kritisiert werde, sei dem entgegenzuhalten, dass es eine nur formell bestehende Ehe mit modifizierten oder verminderten Pflichten nicht gebe. Der Trennungsunterhaltsanspruch bestehe ab dem Zeitpunkt der Trennung nach den ehelichen Lebensverhältnissen, die nach objektiven Maßstäben zu bestimmen seien. Entscheidend sei derjenige Lebensstandard, der nach den ehelichen Lebensverhältnissen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters als angemessen erscheine. Die von Anfang an bestehende Trennung der Ehegatten rechtfertige auch keine Verwirkung, zumal vorliegend schon begrifflich nicht von einer kurzen Ehedauer die Rede sein könne. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten vereinbart hätten, nach der Eheschließung keine eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen. Die Höhe des Anspruchs errechne sich nach den Einkommen der Beteiligten.
[8] 2. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
[9] a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgegangen, die unbeschadet des Wortlauts von § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsbeschl. BGHZ 217, 165 = FamRZ 2018, 457 Rn 9 und BGHZ 203, 372 = FamRZ 2015, 479 ...