1. Überblick
Der Entwurf trägt zwar den vorsichtigen Namen "Diskussionsteilentwurf", doch handelt es sich inhaltlich um einen gründlich vorbereiteten, vollständig ausgearbeiteten Entwurf. Die ungewöhnliche Bezeichnung wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass alle Interessenvertreter und politischen Gremien noch die Möglichkeit haben, ihre Stellungnahmen einzubringen. Dieser Vorgang ist derzeit noch nicht abgeschlossen.
Nach seiner eigenen Einschätzung enthält der Entwurf die folgenden wesentlichen Elemente:
a) Für die zweite Elternstelle wird – weitgehend parallel zur bisherigen Regelung über die Vaterschaft – die Mit-Mutterschaft eingeführt; dazu näher unten II. 2. b).
b) Für die Anerkennung der Vaterschaft oder der Mit-Mutterschaft bedarf es der Zustimmung des Kindes, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat.
Darin liegt keine rechtspolitisch bedeutende Entscheidung. Vielmehr wird nur ein echter Fehler des alten Rechts behoben.
c) Die bis jetzt schon in § 1599 Abs. 2 BGB vorgesehene Möglichkeit, die rechtliche Vaterschaft bei anhängigem Scheidungsverfahren einem Dritten zuzuweisen, wird erweitert (so genannte "Dreier-Erklärung").
Auch diese sinnvolle Änderung bedarf keiner näheren Erläuterung.
d) Es erfolgt eine Gleichstellung der intendierten Elternschaft mit der genetischen Elternschaft bei der heterologen Insemination.
Diese wichtige Änderung ist kritisch zu sehen, weil sie die Perspektive des Kindes nicht hinreichend berücksichtigt (dazu näher II. 4. c) cc)).
e) Es gibt mehrere Änderungen im Bereich der Anfechtung der Vaterschaft, von denen die wichtigste wohl die unbeschränkte Anfechtungsmöglichkeit für den mutmaßlichen genetischen Vater innerhalb der ersten sechs Lebensmonate des Kindes sein dürfte.
Diese und auch die weiteren neuen Regelungen zum Verhältnis des genetischen und des rechtlichen Vaters betreffen sehr streitige Fragen und sind genau zu analysieren (dazu II. 3. b).
Erwähnenswert ist außerdem, dass die Anfechtung nach § 1600c BGB-E künftig ausscheidet, wenn ein Mann die Vaterschaft anerkannt hat, obwohl er wusste, dass er nicht der genetische Vater des Kindes ist. Eine Frau, die durch Anerkennung Mit-Mutter geworden ist, darf konsequenterweise überhaupt nicht anfechten.
Dieser Ausschluss der Anfechtung bei bewusst "falscher" Anerkennung verdeutlicht, dass eine Anerkennung nicht auf Zeit erfolgen kann. Sie schafft mehr Stabilität für das Kind und ist daher zu begrüßen.
f) Schließlich ist eine Erweiterung des § 1598a BGB geplant. Dem Kind soll ein Anspruch auf Klärung seiner Abstammung nunmehr auch gegenüber dem mutmaßlichen genetischen Vater und der mutmaßlichen genetischen Mutter zustehen. Zudem erhält auch der mutmaßliche genetische Vater – mit Ausnahme des Samenspenders – einen solchen Anspruch.
Das ist nicht unproblematisch und soll daher ebenfalls näher betrachtet werden (unten II. 5.).
2. Zur Mit-Mutterschaft
a) Vorüberlegungen
Spricht man über die Mutterstellung, ist es hilfreich, zwischen einer "ersten" und einer "zweiten" Elternstelle zu unterscheiden. Die erste Elternstelle ist im geltenden deutschen Recht stets der Frau vorbehalten, die das Kind geboren hat. Diese rechtliche Zuordnung zur Mutter ist seit 1998 durch § 1591 BGB klar und alternativlos bestimmt. Der Gesetzgeber reagierte damit darauf, dass es durch die moderne Fortpflanzungsmedizin möglich geworden war, Eizellen oder Embryonen auf eine andere Frau zu übertragen, so dass die gebärende Frau nicht mehr notwendig zugleich die genetische Mutter sein musste. Diese Methoden wurden politisch abgelehnt. Schon zuvor war die Eizellspende durch § 1 Abs. 1 ESchG verboten worden.
Heute wird immer häufiger angenommen, dass die bestehende Regelung nicht mit den Grundrechten der betroffenen Frauen vereinbar ist. Dabei geht es um Gleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG, aber auch um das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Beides kommt zusammen, wenn die Frau, die die Eizelle gespendet hat, mit Einverständnis der Geburtsmutter und des Vaters die Mit-Mutterschaft für ein Kind übernehmen möchte. Auch wenn die Eizellspende in Deutschland verboten ist, geschieht das gar nicht so selten. Weibliche Ehepaare gehen nämlich manchmal so vor, um auf diese Weise eine beiderseitige Beteiligung an der Entstehung eines Kindes herbeizuführen. Die Rechtsstellung der Eizellspenderin ist hier wesentlich schwächer als die Position eines Mannes in einer vergleichbaren Situation. Als genetischer Vater hätte ein Mann die Möglichkeit, sich als Vater festzustellen zu lassen und wenn nötig auch die Vaterschaft eines anderen Mannes anzufechten (zu den Einzelheiten 3. b)).
Ein weiterer Unterschied zwischen der Rechtsstellung des nicht genetischen rechtlichen Vaters und der nicht genetischen rechtlichen Mutter besteht darin, dass ersterer die Vaterschaft anfechten kann, während eine biologische Mutter diese Option nicht hat. Dieser Unterschied kann aber kaum als Grundrechtsverstoß angesehen werden. Anders als der Mann hat die Frau in dieser Situation immerhin freiwillig ei...