Im Anschluss an Tölle, FF 2019, 102 ff.
1. Einleitung
Fast jeder nutzt digitale Dienstleistungen und speichert Daten im Internet, in Clouds oder Email-Accounts. Was geschieht mit diesen im Fall des Ablebens, im Erbfall? Welche Probleme sich dabei auftun können, haben die beiden Facebook-Entscheidungen des BGH gezeigt.
Aber, was ist eigentlich der digitale Nachlass und wie gehen wir zukünftig mit diesem Teil des Nachlasses im Erbfall um?
Als sog. "digitaler Nachlass" sind alle persönlichen Daten im Internet, auf PC´s und Laptops oder Handys und Tablets auf lokalen oder externen Datenträgern, in Clouds oder auf mobilen Datenträgern, wie Sticks, Speicherkarten oder DVD´s, CD´S, verschlüsselt oder unverschlüsselt, zu verstehen. Dazu gehören Daten, Bilder, Texte, Nachrichten oder persönliche Mitteilungen in Netzwerken oder öffentlichen Registern, wie Facebook, Google, Instagram, Twitter usw. Auch Zugriffsdaten auf Online-Verkaufsaccounts, wie z.B. dem Amazon-Account, Accounts von Onlineauktionshäusern oder das Online-Banking gehören zum sog. "digitalen Nachlass". Zudem kommen noch Kryptowährungen, Rechte an Dommainnamen und andere digitale Werte, die sich zunehmend weiterverbreiten und ebenfalls zum digitalen Nachlass gehören, gerade weil die digitale Währung Bitcoin weitere Höhenflüge erlebt, dazu.
Somit umfasst ein digitaler Nachlass sämtliche Daten und Informationen, die zu und von einem verstorbenen Menschen im Internet ebenso wie auch auf Computern oder Datenträgern existieren. Um wie viele Benutzerkonten, Verträge oder sonstige Verknüpfungen es sich dabei handelt, ist uns im Alltag meist nicht einmal bewusst. All dieses gehört zum digitalen Nachlass, wobei sicher der oder die E-Mail-Accounts einen der größten Räume diesbezüglich mit einnehmen.
Aus diesem Grund ist es durchaus sinnvoll, sich frühzeitig über ein digitales Erbe Gedanken zu machen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Verstirbt der Erblasser und hat er zumindest die Zugangsdaten zu seinem E-Mail-Account hinterlassen, werden die Erben auf diese Weise i.d.R. herausfinden können, welche weiteren Accounts der Erblasser besessen hat, und auch auf diese zugreifen können.
Die Frage, die sich dabei stellt, ist, wie kann ein umfassender Zugriff im Sinne der Erben gewährleistet werden?
2. Der digitale Nachlass im Erbfall
Wer also kann oder darf Zugriff auf die Daten nehmen? Was passiert nun mit diesen ganzen Daten im Erbfall?
Zunächst einmal hat derjenige der die Passwörter besitzt Zugriff auf die entsprechenden Daten, sofern diese vom Anbieter noch nicht gesperrt wurden. Sind diese Zugriffsdaten sauber aufgezeichnet und gut verwahrt, ist das kein Problem. Viele Anbieter verweisen ihre Kunden in den Vertragsbedingungen jedoch darauf, Passwörter nicht aufzuschreiben, um Fremden keinen Zugriff auf das Konto zu geben. Oftmals sind die Zugangsdaten aber eben nicht aufgeschrieben und irgendwo hinterlegt, sondern entweder gar nicht oder verschlüsselt gespeichert. Oftmals ist ein Aufzeichnen und Hinterlegen der Accountdaten auch vertragswidrig bzw. schließt die Haftung des Anbieters für den Missbrauch des Accounts aus, da dadurch Sorgfaltspflichten verletzt werden. Daher wird vielfach von einem unverschlüsselten Hinterlegen von Login-Daten abgeraten, denn innerhalb der Accounts können mit diesen Daten kostenpflichtige Leistungen oder Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen ausgeführt werden.
Kennt der Rechtsnachfolger die Zugangsdaten nicht, gibt es nur noch die Möglichkeit über den Anbieter an die Zugangsdaten zu kommen. Häufig sind im digitalen Anwendungsbereich Zugangs-Accounts über eine Emailadresse oder über eine Telefonnummer verknüpft, deren Kenntnis dann im Erbfall ebenfalls besondere Bedeutung zukommt.
Dabei stellt sich die Frage, haben die Erben auch das Recht den entsprechenden Zugang zu bekommen? Wie weit muss der Anbieter einen Zugang ermöglichen und in welcher Form muss der Diensteanbieter diesen Zugang gewähren.
Es gilt der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge
Die Ausgangslage scheint zunächst eindeutig. Das deutsche Erbrecht wird von dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) bestimmt, dass in § 1922 Abs. 1 BGB folgenden Ausdruck gefunden hat:
Zitat
"Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über".
Zu dem "als Ganzes" übergehenden Vermögen einer Person gehören auch deren schuldrechtliche Ansprüche und Vertragsverhältnisse, insbesondere auch alle Nebenrechte aus dem Vertragsverhältnis. Dazu gehören Gestaltungsrechte wie das Kündigungsrecht oder Auskunftsansprüche.
Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen. So die höchstpersönlichen Rechte des Erblassers, aber auch, wenn es nach der Art des Schuldverhältnisses gerade auf die Leistungserbringung durch oder gegenüber einer bestimmten Person ankommt (z.B. Gesangsaufführung durch den Erblasser) oder wenn eine besondere Interessenlage vorliegt (z.B. bei der Wohnra...