In allen Bereichen stellt sich die Frage: wer macht die vorstrukturierten Tabellen bzw. die Formulare?
Im Zivilrecht sind die Rechtsbereiche zu vielgestaltig, als dass überhaupt alles erfasst und aufbereitet werden könnte. Hier wird man – abgesehen von Teilbereichen – auf allgemein gehaltene Strukturvorgaben i.S. des Lösungsvorschlags von Vorwerk zurückgreifen müssen. Es bedarf dann keines Formulars. Es würde dann bspw. nur die gängige Struktur vorgegeben: Antrag – allgemeine Daten – Vortrag zum Anspruchsgrund – rechtshindernde Einwendungen – rechtsvernichtende Einwendungen – rechtshemmende Einwendungen – sonstiges. An einer so strukturierten Tabelle würde sich der Gegner Punkt für Punkt abarbeiten.
Im Familienrecht könnten konkrete Formulare angeboten werden. Es folgt wieder die Überlegung, wie detailliert ein Formular sein soll. Hier stellt sich zunächst die bereits oben aufgeworfene Frage, ob ein Formular Rechtsausführungen enthalten sollte. Insoweit wäre zu unterscheiden, ob es sich um ein gesetzlich vorgegebenes Formular oder um ein darüberhinausgehendes vom Antragsteller frei gewähltes Formular handelt. In zwingend zu verwendenden Formularen sollte bei Rechtsausführungen Zurückhaltung geübt werden und es sollten nur solche Ausführungen erfolgen, die zum Verständnis des Formulars erforderlich sind. Dies kann anhand des nachfolgenden Auszugs aus dem oben bereits vorgestellten Formular mit Rechtsausführungen zu § 1615l BGB verdeutlicht werden, das zum Bedarf der Kindsmutter Folgendes beinhaltet:
Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er beträgt mindestens 960 EUR. |
(Rechtsausführungen) Ist die Mutter verheiratet oder geschieden, ergibt sich ihr Bedarf aus den ehelichen Lebensverhältnissen (BGH, Urt. v. 16.7.2008 – XII ZR 109/05). Es ist der betreuungsbedingte Ausfall des Erwerbseinkommens für den Unterhalt relevant. |
Sonstige, mit der Betreuung nicht zusammenhängende Einkünfte der Kindsmutter wie etwa Mieteinnahmen oder Wohnvorteil sind weder für die Bedarfsbemessung noch für die Bedürftigkeit von Bedeutung (BGH, Beschl. v. 15.5.2019 – XII ZB 357/18 Rn 50 f.) |
Welche Einkünfte hätte die Kindsmutter ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes? |
Zum Bedarf der Kindsmutter werden erläuternde Ausführungen gemacht, die sich an der (höchst)richterlichen Rechtsprechung orientieren. Hier könnte man einwenden, der Rechtsanwalt, der ein solches Formular verwendet, wird zu stark eingeschränkt, wenn der Rechtsanwalt der vorgegebenen oder vorgeschlagenen Definition der Lebensstellung der Kindsmutter beispielsweise im Falle einer langjährigen Lebensgemeinschaft nicht folgen will.
So hat beispielweise ein Arbeitskreis des 21. Deutschen Familiengerichtstags (2015) zu dieser Bedarfsfrage folgende Empfehlung an Rechtsberatung und Rechtsprechung beschlossen:
Zitat
a) Das Abstellen auf den Lebensstandard des betreuenden Elternteils, definiert durch sein fortgeschriebenes Einkommen, wird im Rahmen des § 1615l BGB als unzureichend empfunden, wenn die Beteiligten in einer Lebensgemeinschaft gelebt haben. Es erscheint daher sachgerecht, auf die Lebensverhältnisse in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft abzustellen, wenn diese verfestigt war.
b) Ein Abstellen auf die Lebensverhältnisse in der Lebensgemeinschaft erscheint de lege lata möglich, sei es wegen eines geschaffenen Vertrauenstatbestandes, sei es, weil zwischen den Beteiligten eine (quasi-)vertragliche Beziehung erkennbar ist.
Diese von der gängigen Bedarfsermittlung abweichende Ansicht verdeutlicht, dass bspw. ein durch Verordnung vorgegebenes Formular sich in Bezug auf Rechtsansichten zurücknehmen müsste. Es hätte dann z.B. nur den Gliederungspunkt "Bedarf der Kindsmutter nach ihrer Lebensstellung". Entscheidungsfindung und bloße Unterstützung dürfen nicht leichtfertig vermischt werden. Der Bedarf bzw. die "Lebensstellung" würde dann erst vom Vortragenden definiert:
Der Bedarf der Kindsmutter nach ihrer Lebensstellung |
Die Antragstellerin und der Antragsgegner lebten 10 Jahre in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, weshalb für die Bedarfsbestimmung auf die Lebensverhältnisse in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft abzustellen ist. … |
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Der Antragsgegner würde dann bspw. unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung erwidern:
Der Bedarf der Kindsmutter nach ihrer Lebensstellung |
Die Antragstellerin und der Antragsgegner lebten 10 Jahre in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, weshalb für die Bedarfsbestimmung auf die Lebensverhältnisse in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft abzustellen ist. … |
Die Lebensverhältnisse in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die eben gerade keine Ehe war, sind unerheblich. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist maßgebend, welche Einkünfte die Kindsmutter ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes heute hätte. … |
Die gebotene Zurückhaltung in Bezug auf Rechtsausführung gilt, wie schon ausgeführt, freilich nur für den Formularin...